1603 - Der Geistertänzer
Augenzeugin gewesen und hatte diesen Vorfall als den Schock ihres Lebens angesehen.
Und jetzt hatte sie erneut einen Schock erlebt.
Das Schweigen hielt an. Ab und zu wurde es von einem Atemzug unterbrochen, den Paula Ashley abgab. Sie stand unter Stress. Auf ihrem Gesicht hatte sich ein leichter Film aus Schweiß gebildet. Ihre Hände hielten die Kugel umklammert. Der Blick war auf die Kugel gerichtet, da hatte sich nichts verändert.
Isabel traute der Sache nicht so recht. Zumindest nicht der Kugel. Das hatte etwas mit Jahrmarkt zu tun. Mit Abzocke gutgläubiger Menschen.
Einfach lächerlich.
So war ihre Meinung noch vor Kurzem gewesen. Jetzt nicht mehr.
Sie hatte sich von der Atmosphäre einfangen lassen, die hier herrschte.
Dabei kam ihr in den Sinn, dass sie zu einer anderen geworden war. Da gab es Strömungen, an denen sie nicht vorbeigehen konnte. Sie waren einfach vorhanden und würden so schnell nicht wieder verschwinden.
Und es waren keine normalen Strömungen. Es hatte sich hier etwas verändert, was nach außen hin nicht zu erkennen war. Vielleicht musste man von Empfindungen sprechen, die sich hier aufgebaut hatten. Es war ihr alles recht fremd geworden.
Natürlich lagen ihr Fragen auf der Zunge. Nur traute sie sich nicht, sie zu stellen. Sie wollte Paula nicht in ihrer Konzentration stören.
Das Gefühl für Zeit war Isabel verloren gegangen. Sie konnte sie nicht mehr in Minuten oder Sekunden einteilen. Sie glaubte, so etwas wie ein Mittelpunkt in einem geheimnisvollen Strom zu sein, der sie mit sich riss.
Isabel wurde aufmerksam, als sie Paula Ashleys Seufzen hörte. War das der Anfang des Erfolgs? Hatte sie den Kontakt mit Julius Crane herstellen können?
Paula Ashley hatte in der gesamten Zeit ihren Blick gesenkt gehabt.
Jetzt blickte sie hoch und damit auch über die Kugel hinweg, sodass sie Isabel ansehen konnte.
Die Tänzerin hütete sich davor, eine Frage zu stellen, hielt dem Blick allerdings stand und wartete darauf, dass Paula einen Kommentar abgab.
Der Gesichtsausdruck des Mediums war ein anderer geworden. Oder der in den Augen. Es kam Isabel so vor, als wäre sie leicht verwirrt von dem, was sie erlebt hatte.
Die Tänzerin hielt es nicht mehr aus. Sie wollte nicht so lange warten, bis es Paula einfiel, ihr eine Antwort zu geben.
»Bitte, Paula, sag was! Hast du etwas festgestellt? Ist es zu einem Kontakt gekommen?«
Paula gab noch keine Antwort. Sie hob das neben ihr liegende Tuch an und wischte damit über ihre Stirn.
»Es ist nicht einfach«, flüsterte sie danach. »Es ist wirklich nicht leicht, das muss ich dir sagen. Aber ich denke, dass es eine Möglichkeit gibt.«
»Dann hast du was gespürt?«
»Ich denke schon.«
Ein knappes Lächeln umzuckte Isabels Lippen! »Und? Ist es Julius gewesen? Hat er sich offenbart?«
Paula Ashley wiegte den Kopf. »Nun ja, ich denke schon, dass es Julius war.«
Isabel hielt den Atem an. Sie konnte plötzlich nicht mehr sprechen. In ihr war alles durcheinander. Ein Gefühl zwischen Freude und Angst durchfuhr sie.
Schließlich brachte sie die Frage doch hervor: »Hat er denn etwas gesagt, Paula?«
»Er hat es versucht, glaube ich. Er hat die Bahn gefunden, die ich ihm ausgebreitet habe. Ja, es gab einen Kontakt zwischen uns, aber ich habe ihn nicht sprechen hören.«
Die Tänzerin schloss die. Augen. »Dann hat alles keinen Sinn«, flüsterte sie.
»Das kann man nie wissen. Es war auch nur der Anfang. Ich werde weitermachen.«
»Und dann?«
Sie lächelte. »Sei nicht so nervös. Wir brauchen Ruhe. Auch wenn ich ihn nicht gehört habe, so weiß er doch, dass ich versucht habe, ihn zu erreichen.«
»Wieso?«
»Ich habe ihn gespürt. Ich konnte ihn wahrnehmen. Ich fing seine Gefühle auf.«
Isabel wurde wieder von dieser Anspannung erfasst, die in der letzten Minute abgeklungen war. Sie ahnte, dass Paula für sie noch eine Botschaft hatte, und fragte: »Was kannst du mir noch sagen?«
Paula Ashley schüttelte den Kopf. »Du musst stark sein, meine Liebe, sehr stark.«
»Bitte, rede.«
»Er - er - hat Angst. Ja, er hat Angst. Das habe ich gespürt. Es ist wie ein Sturm gewesen, der über mich kam. Ich habe es selbst zuerst nicht wahrhaben wollen, jetzt aber bin ich mir sicher.«
»Und wovor hat er Angst gehabt?«
Paula runzelte die Stirn. »Das kann ich dir nicht sagen. Er hat jedenfalls Furcht vor einer Macht, die ihn jagt. Man kann diese Macht auch als Feind bezeichnen, der ihm keine Ruhe lässt. Man kann sagen, dass er
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