1603 - Der Geistertänzer
besuchen?«
»Ja,« Ich lächelte. »Paula Ashley.«
»Die wohnt im dritten Stock.«
»Danke.«
»Sie können auch den Aufzug nehmen.«
Ich winkte ab. »Das wird nicht nötig sein. Etwas Bewegung tut dem Körper gut.«
»Stimmt.«
Im Flur war es zwar wärmer, aber Wasser hätte hier auch zu Eis werden können. Das Haus war innen nicht versaut worden, wie wir es schon öfter erlebt hatten. Hier hatte kein Sprayer an den Wänden seine »Kunst« hinterlassen. Die weiße Farbe war nur im Laufe der Zeit ein wenig grau geworden.
Wir gingen über die Stufen einer Steintreppe hoch und konnten uns dabei an einem Geländer festhalten, das einen dunklen Handlauf aus Kunststoff hatte.
Wir hatten beim Betreten des Hauses eine normale Ruhe erlebt, die sehr schnell vorbei war. Kaum hatten wir die erste Etage erreicht, hörten wir von oben Geräusche, und die klangen gar nicht gut. Es war eine Mischung aus Schreien und Jammern.
Wir blieben stehen.
Ich beugte mich über das Geländer, legte den Kopf in den Nacken und schaute durch den schmalen Treppenschacht nach oben.
Es war eine Frauenhand zu sehen, die in einem gewissen Rhythmus auf das Geländer schlug. Da schien es jemand sehr eilig zu haben, so schnell wie möglich nach unten zu kommen.
Die Schreie und das Jammern hatten nicht aufgehört. Je näher uns die Person kam, umso deutlicher vernahmen wir sie.
Suko war es, der schon vorlief.
Er musste nicht weit laufen, um die Frau zu erreichen, die von oben nach unten wollte. Und sie hatte Glück, dass sich Suko in ihrer Nähe befand, denn jetzt nutzte ihr auch kein Geländer mehr. Sie stolperte über die eigenen Füße, verlor den Halt und kippte nach vorn. Suko konnte sie gerade noch auffangen.
Ihr Schrei gellte durch das Treppenhaus. Suko sprach auf sie ein. Er hielt sie hart fest, weil sie um sich schlug und damit auch nicht aufhörte.
Von unten hallte uns eine Männerstimme entgegen. Sie gehörte dem Mann, der uns den Weg gewiesen hatte.
»Verdammt noch mal, was ist da los?«
Um Komplikationen zu entgehen, lief ich die Stufen wieder hinab. Ich wollte ihm eine Erklärung geben.
Stampfend kam er mir auf der Hälfte der Strecke entgegen. Sein Blick war alles andere als freundlich. Er wollte mich anschreien, sah meinen Ausweis und war zunächst still.
»Scotland Yard«, fügte ich noch hinzu.
Es reichte, um den Mann, der so etwas wie ein Hausmeister sein musste, verstummen zu lassen.
»Was haben Sie vor?«
»Wir wollen nur einen Besuch machen. Das ist alles.«
»Aber die Frau, die geschrien hat…«
»Darum kümmert sich mein Kollege.«
»Ja, ist gut.«
Es wäre wohl gern weiter nach oben gegangen, überlegte es sich aber anders und ging wieder nach unten.
Ich hatte die Stelle schnell erreicht, an der Suko die Frau aufgefangen hatte. Sie war leer. Ich ging weiter hoch bis zur dritten Etage und sah dort eine Tür, die nicht geschlossen war. Dahinter hörte ich die Stimme meines Freundes, der auf die Frau einredete.
Als ich die Wohnung betrat, wunderte ich mich über das Bild. Die Frau hockte auf dem Boden. Sie lehnte mit dem Rücken an der Wand. Die Hände hatte sie vor ihr Gesicht geschlagen, weil sie offenbar nichts sehen wollte.
»Was ist passiert?«, fragte ich Suko. »Hast du das aus ihr herausbekommen?«
»Noch nicht.«
»Ist das Paula Ashley?«
»Nein, John, die liegt drüben.«
»Liegt?«
»Leider.« Suko deutete auf eine Tür, die nicht ganz geschlossen war.
»Geh hinein und mach dir selbst ein Bild davon. Aber richte dich auf einen schlimmen Anblick ein.«
So wie ich ihn kannte, hatte er bestimmt nicht übertrieben. Ich war gespannt, als ich die Tür aufstieß, und einen Blick in den dahinter liegenden Wohnraum warf.
Zunächst sah alles normal aus. Bis ich einen Schritt hineingegangen war und mir der Tisch nicht mehr die Sicht nahm. Da sah ich die Frau auf den Boden liegen.
Schon aus der Distanz erkannte ich, dass etwas mit ihrem Gesicht passiert sein musste. Ich ging näher, erreichte sie, bückte mich und schloss für einen Moment die Augen.
Suko hatte mich zwar gewarnt. Dennoch war ich auf diesen schrecklichen Anblick nicht gefasst gewesen. Die Frau war tot, das stand fest. Sie hatte auch ein Gesicht, aber das war nicht mehr so, wie es hätte sein sollen. Der Anblick war einfach schrecklich. Mit den ausgedrückten Augen, die noch an den Fäden hingen, und den zahlreichen Wunden im Gesicht sah die tote Frau einfach schlimm aus.
Hier hatte jemand gewütet, und die Person im Flur war
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