Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1603 - Der Geistertänzer

1603 - Der Geistertänzer

Titel: 1603 - Der Geistertänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
einfach etwas sagen und fragte mit leiser Stimme: »Freund oder Feind?«
    Ich klopfte meine Hose ab, an der noch graue Eisreste hingen, und rieb dann meine kalten Handflächen gegeneinander.
    »Das weiß ich nicht. Jedenfalls ist dieser Tänzer eine ungewöhnliche Erscheinung. Ich weiß noch nicht mal, ob ich ihn als Geist einstufen soll. Er kann es sein, aber auch ein Mensch.«
    »Du meinst, ein Mittelding zwischen den beiden Existenzen?«
    »Genau daran habe ich gedacht.«
    »Und das, ohne eine Erklärung dafür zu haben.«
    »Hast du das erwartet?«, fragte ich.
    »Nicht wirklich«, gab Bill zu.
    Eine laute Männerstimme, die quer über das Eis hallte, drang an unsere Ohren.
    »Wollen Sie noch bleiben? Es ist jetzt Feierabend. Hier wird es gleich Nacht.«
    »Nein, nein, wir verschwinden auch!«, rief ich dem Hallenchef zu, der noch als Letzter des Personals geblieben war.
    »Ob er etwas gesehen hat?«, fragte Bill.
    Ich verzog den Mund. »Nein, das denke ich nicht. Ich kann mir vorstellen, dass der Tänzer sich ihm vorhin nicht gezeigt hat. Aber ich gehe davon aus, dass er ihn kennt.«
    Wir hatten um die Schmalseite der Bahn herumgehen müssen, um den Mann zu erreichen. Er hieß Jason Nichols, war ungefähr vierzig Jahre alt und von der Gestalt her recht kräftig. So konnte er sich bei den Benutzern der Bahn Respekt verschaffen.
    An seinem Kinn wuchs ein brauner Ziegenbart, der sich bewegte, als der Mann sprach.
    »Haben Sie erreicht, was Sie wollten?«
    »Ja, das schon«, sagte Bill.
    »Und?«
    Bill lächelte Nichols kantig an. »Haben Sie denn diesen Tänzer nicht gesehen?«
    »Heute nicht. Ich hatte in der Werkstatt zu tun.«
    »Aber Sie kennen ihn?«
    »Das ist unser Hausgeist, Mr. Conolly. Ich sehe ihn öfter kurz vor Feierabend. Da dreht er dann seine Runden. Hin und wieder gelingt es mir, ihn dabei zu beobachten.«
    Tat sich da eine Quelle an Informationen auf? Es war zu hoffen, und so fragte Bill weiter: »Sie nehmen ihn also hin?«
    »Klar. Der ist so etwas wie unser Eishallengeist. Ich will Ihnen mal was sagen, obwohl Sie das bestimmt nicht begreifen können. Warum sollen die Geister nur immer in alten Schlössern oder Burgen spuken? Es gibt so viele Plätze, an denen sie sich zeigen können. Dazu zähle ich auch meine Eisbahn.«
    »Wenn Sie das so sehen.«
    »Klar, das muss ich einfach. So ein Geist ist etwas Ungewöhnliches und nichts Schlimmes. Ich sage immer, dass es im Jenseits keine Eisbahn gibt. Er will ja auch sein Vergnügen haben. Und deshalb hält er sich hier eben auf. Basta.«
    Es war eine Logik, der wir nicht so recht folgen konnten. Aber wenn er der Ansicht war, wollten wir ihn nicht vom Gegenteil überzeugen.
    »Aber Sie kennen ihn nicht näher?«, fragte ich.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Wissen Sie, wie er heißt? Oder hat er überhaupt einen Namen?«
    Nichols schob die Unterlippe vor. »Das ist die Frage.« Er lachte. »Haben Geister einen Namen?« Er lachte wieder. »Klar, das haben sie. Denken Sie an die alten Schlossgespenster. Die sind auch nicht namenlos. Das hört und liest man immer wieder. Also muss dieser Eistänzer auch einen Namen haben.«
    »Den Sie nicht kennen.«
    Der Mann schaute mich beinahe traurig an. »Ja, leider kenne ich ihn nicht. Ich hätte ihn gern mit seinem Namen angesprochen.«
    »Und Sie haben auch keine Angst, dass er Ihnen etwas tut?«
    »Nein, das habe ich nicht. Dann wäre es schon längst geschehen.«
    »Stimmt auch wieder.«
    »Haben Sie sonst noch Fragen?«
    Bill und ich schauten uns an. Der Reporter hatte keine, und bei mir war es ebenso. Nachdem wir gemeinsam die Köpfe geschüttelt hatten, war Jason Nichols zufrieden.
    »Dann kann ich ja hier Schluss machen.«
    »Können Sie«, sagte Bill.
    Der Bahnchef wollte sich schon abwenden, überlegte es sich dann und fragte: »Sieht man sich noch?«
    »Das kann sein«, erwiderte ich.
    »Dann vielleicht bis später.« Nichols nickte knapp und machte sich auf den Weg.
    Der Reporter stieß mich an. »Na, was hältst du von ihm?«
    »Ich weiß nicht. Furcht scheint er vor unserem Geisterfreund jedenfalls nicht zu haben.«
    »Dann ist er harmlos.«
    Das wollte ich nicht unbedingt unterschreiben. »Es muss aber nicht sein, Bill.«
    Wir machten uns auf den Weg zum Ausgang. Vorbei an den beiden Kassen, wo Rollos vorgezogen waren.
    Dann durchquerten wir einen großen Vorraum, in dem sich tagsüber zahlreiche Menschen aufhielten. An einigen Ständen konnten Souvenirs gekauft werden. Es gab auch eine kleine Bar und

Weitere Kostenlose Bücher