1604 - Panoptikum des Schreckens
mich von der Seite her beobachtet. »Dir gefallen diese Typen nicht, oder?«
»Dir denn?«
Er lachte nur.
»Ich frage mich, was Purdy wohl gedacht hat, als sie vor diesen Gestalten stand.«
»Das werden wir sie wohl hoffentlich bald fragen können.«
»Noch eines, John. Dich habe ich zwischen diesen Geschöpfen nicht entdeckt.«
»Wie schade.«
»Du stehst bestimmt in einem Extraraum.«
»Ja, das ist möglich.«
»Dann wollen wir ihn mal suchen.«
Wir mussten nicht lange überlegen, wohin wir gehen sollten. Der Pfeil wies uns die Richtung, und die schlugen wir ein. Es ging nach rechts, und erneut mussten unsere Taschenlampen uns den Weg weisen, bis Suko einen Schalter entdeckte.
Er kickte ihn nach unten.
Es wurde nicht eben strahlend hell, aber wir konnten zumindest erkennen, wohin wir gingen.
Vor uns erstreckte sich ein weiterer Gang. Hier interessierte uns nicht, wo er endete, denn an der linken Seite gab es einen offenen Blick auf eine bestimmte Szene. Betreten konnte sie nur jemand, wenn er die gespannte Kordel überkletterte, was wir nicht taten.
»Das ist es doch«, sagte Suko. »Da ist die Tragik des Hauses in Wachs festgehalten.«
Ja, das waren vier Personen. Ein Junge, der auf dem Bauch lag und dessen Schädel gespalten war.
Dem Mädchen, das an der Wand stand, hatte man die Kehle durchgeschnitten.
Auch das war plastisch dargestellt.
Die Mutter saß an einem Küchentisch. Zusammen mit ihrem Mann. Der Brustkorb der Mutter war eine einzige blutige Masse. Das hatte ein großes Schlachtermesser verursacht, das im Körper des Vaters steckte.
Ich hielt bei dieser Szene automatisch den Atem an, weil sie eben so echt aussah. Wer sie betrachtete, der vergaß das Wachs, aus dem die Figuren geformt waren.
Erneut dachte ich daran, dass so etwas auch als lebendiges Bild dargestellt sein konnte. Aber diesen Gedanken wollte ich nicht weiter verfolgen.
»Was hat Purdy hier erlebt?«, fragte Suko.
»Zumindest hat sie von einem Jungen gesprochen, der Rudy heißt. Wir haben ihn bisher noch nicht gesehen.«
»Dann müsste man den Namen des toten Jungen da in der Szene wissen.«
»He, du glaubst…«
Suko trat einen Schritt von mir weg. »Ich glaube gar nichts. Ich habe mir nur meine Gedanken gemacht, das ist alles. Und so weit sind sie bestimmt nicht von deinen entfernt.«
»Da hast du allerdings recht.«
»Okay, gehen wir weiter?«
Ich wollte schon nicken, als ich mitten in der Bewegung stoppte, denn es war etwas passiert, das ich nicht gerade erhofft, womit ich aber irgendwie gerechnet hatte.
Auf meiner Brust spürte ich einen scharfen Schmerz.
Das Kreuz hatte mir eine Warnung geschickt!
***
Ich hatte mir nichts anmerken lassen, dachte ich zumindest, aber Suko war meine Reaktion schon aufgefallen und er fragte mit leiser Stimme: »Was hast du?«
»Mein Kreuz.«
»Und? Weißt du auch den Grund?«
»Nein. Aber er muss sich in der Nähe befinden. Und deshalb sollten wir nicht weitergehen.«
Ich schaute auf die Szene vor mir, die sich uns so unbeweglich präsentierte.
»Da tut sich aber nichts«, sagte mein Freund.
»Trotzdem bin ich nicht beruhigt.«
»Was willst du machen?«
Es gab nur eine Antwort. »Ich werde mir diese Familie mal aus der Nähe anschauen. Mag sie auch aus Wachs sein, aber das will ich genauer wissen.«
»Ich warte hier.«
Es war kein Problem, über die Kordel zu steigen, die in der Mitte etwas durchhing.
Das Bild, das ich da vor mir sah, blieb starr. Dennoch klopfte mein Herz schneller, denn die Warnung meines Kreuzes hatte mich irgendwie nervös gemacht.
Und sie hörte auch nicht auf, als ich mich den vier Personen aus Wachs näherte. Der entsetzte Ausdruck in ihren wachsbleichen Gesichtern sah aus der Nähe noch realistischer aus. Da war der große Schrecken in den letzten Sekunden ihres Lebens ziemlich echt getroffen worden.
Zuerst ging ich an den Vater heran, der diese Taten begangen hatte. Ich blieb hinter ihm stehen, und mich schauderte schon ein wenig, als ich meine Hände auf seine Schultern legte.
Er war mit einer grauen Jacke bekleidet, deren Stoff recht dünn war.
Wahrscheinlich handelte es sich um altes Leinen, das mir kaum Widerstand entgegensetzte, als ich auf die Schultern drückte.
Plötzlich gab die Masse nach.
Ich erschrak so heftig, dass ich die Gestalt losließ. Es war keine Täuschung.
Die Wachsfigur war auf keinen Fall so hart, wie sie aussah, und dann passierte auch schon etwas mit ihr.
Suko, der einen anderen Blickwinkel hatte, machte
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