1607 - Totenlied der Diva
unternehmen konnte, streckte der Templer bereits seinen rechten Arm aus. Ein schneller Griff, und er hatte den dünnen Arm der Gestalt gepackt.
Die Diva jammerte, als sie aus dem Grabmal gezogen wurde und gegen Godwin prallte.
»Und jetzt, mein Freund«, flüsterte er, »werden wir gemeinsam diese Welt verlassen…«
***
Sophie Blanc saß wie eingefroren auf ihrem Platz und schaute in den Würfel. Sie wunderte sich darüber, dass ihre Augen noch nicht tränten.
Das Bild, das sie gesehen hatte, war nicht verschwunden. Aber es hatte sich verändert. Godwin war es, der mit dieser unheilvollen Person sprach, die sich in dem Grabmal aufhielt.
Und Sophie erlebte dabei ein weiteres Phänomen, für das nur der Würfel verantwortlich sein konnte.
Sie sah, dass gesprochen wurde. Sie hörte die Worte nicht, aber sie bekam sie trotzdem mit. Da hatten sich Worte in Gedanken umgewandelt, und als Transformator konnte dabei nur der Würfel geholfen haben.
So saß sie auf dem Stuhl, bewegte sich nicht und hörte nur zu. Sie hatte das Gefühl, dass sich mit jedem Wort der Teil einer anderen und neuen Welt für sie öffnete. Es war einfach unglaublich, aber es entsprach dennoch der Wahrheit.
Sie wusste jetzt, wer Landru war und was die Kräfte dieser Parallelwelt vorhatten. Sie wollten das Team um John Sinclair zerstören, und sie wollten sich durch nichts davon abhalten lassen. Alles war mit einer großen Sicherheit gesprochen worden. Aber es gab auch einen Menschen, der sich dagegen stemmte.
Sie kannte ihren Mann. Sophie wusste, dass er nicht aufgeben würde. Er würde sich nicht mit der Opferrolle abfinden und selbst die Initiative ergreifen, wenn er eine Chance sah.
Sie sah und hörte, dass Godwin weg wollte. Aber nicht allein, denn er zerrte die Gestalt aus ihrem Grabmal.
Sophie konnte sich nicht vorstellen, wohin die beiden wollten. Godwins Ziel war es offenbar, die fremde Welt zu verlassen, doch es war fraglich, ob ihm das gelingen würde.
Allmählich wich die Starre von Sophie Blanc. Sie kam wieder mehr zu sich. Ihr Blick blieb auf den Würfel gerichtet, den sie weiterhin festhielt, doch ihre Gedanken drehten sich bereits um etwas anderes.
Man konnte es drehen und wenden, eines aber blieb bestehen: Sophie wusste jetzt, um was es der anderen Seite ging. Sie glaubte nicht daran, dass dies auch bei John Sinclair und seinen Freuden der Fall war.
Immer wieder hatte Godwin mit ihnen zusammengearbeitet. Das wollte sie nun tun, und es war gut, dass sich das Telefon auf seiner Station in Greifweite befand.
Sophie behielt den Würfel weiterhin im Auge. Sie traute sich auch nicht, den Kontakt zu ihm zu lösen, aber sie nahm dabei nur eine Hand, denn die andere brauchte sie.
John Sinclairs Handynummer war eingespeichert, und so kam die Verbindung schnell zustande.
»Melde dich, John«, flüsterte sie, »los, geh ran, bitte…«
***
»Und wie können wir das Tor schließen?«, fragte Johnny, der das Schweigen nicht länger aushielt.
Die Frage galt Bill, Suko und mir, doch wir mussten zunächst mal passen.
Eine Antwort fiel keinem von uns ein, bis Bill sagte: »Es kann wohl nur geschlossen werden, wenn wir auch den Rest noch vernichten.«
»Diesen Lord Lipton, Dad?«
»Ja.« Bill sah mich an. »Und da ist auch noch dieser Ritter, von dem du erzählt hast.«
»Ja, bei den Templern.«
Bill legte den Kopf zurück und lachte. »Da hat die andere Seite ihre Aktivitäten schon ziemlich breit gestreut. Die weiß genau, wie sie uns an die Karre fahren kann.«
Das sahen wir auch so.
Johnny fragte weiter: »Meint ihr denn, dass dieser Lord Lipton noch mal erscheint? Oder wird er eingesehen haben, dass ihr zu stark seid? Könnte ja möglich sein.«
»Er hat uns immerhin eine Tote hinterlassen«, sagte ich. »Also ist er noch aktiv. Das Tor steht offen. Wir müssen damit rechnen, dass er plötzlich hier erscheint. Und einer wie er meldet sich nicht an. Der schlägt blitzschnell und gnadenlos zu. Man hat schon in seiner normalen Lebenszeit vor ihm gezittert, und er hat sich um keinen Deut verändert. Wir werden es nicht leicht haben.«
»Also warten«, sagte Suko.
»Aber nicht alle in einem Raum«, sagte Bill. »Ich schlage vor, dass wir uns verteilen…« Er stockte, schüttelte den Kopf und fragte: »Wo bleibt eigentlich Sheila?«
Wir schauten uns an. Niemand von uns konnte Bill eine Antwort geben.
Aber ein gutes Gewissen hatte keiner. Wir mussten sie holen, und Bill war schon halb auf dem Weg, als er stoppte, denn mein
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