161 - Vollmond über London
Laute, dazwischen gab es lange Pausen, doch wir waren guten Mutes. Boram machte zweifellos Fortschritte. Nur weiter so.
Als es Abend wurde, fragte Vicky Bonney: »Was habt ihr zwei Hübschen heute vor?«
»Wir gehen wieder nach Soho«, antwortete ich.
»Darf ich mitkommen? Ich langweile mich allein.«
»In Soho treiben sich ein gefährlicher Werwolf und Terence Pasquanell herum«, erwiderte ich. »Es ist tausendmal besser, sich daheim zu langweilen, als einem von beiden in die Hände zu fallen.«
»Tony hat recht«, pflichtete mir Mr. Silver bei. »Du bist zu Hause besser aufgehoben, Vicky.«
»Und sicherer«, fügte ich hinzu. »Immerhin ist Boram wieder zu Hause.«
»Mit ihm kann ich nicht sprechen«, sagte meine blonde Freundin bedauernd. »Wenn wenigstens Lance zu Hause wäre, könnte ich zu ihm hinübergehen und ein wenig mit ihm plaudern.«
Unser Freund und Nachbar, der Parapsychologe Lance Selby, weilte zur Zeit im sonnigen Kalifornien. Nicht um Urlaub zu machen, sondern um an einem Parapsychologenkongreß teilzunehmen. Sie suchten sich dafür immer die schönsten Plätze auf der Welt aus.
»Oder Roxane«, klagte Vicky.
Die abtrünnige Hexe, Mr. Silvers Freundin, war seit längerem unterwegs, um in Erfahrung zu bringen, wie sich Shavenaar, das Höllenschwert, »weißwaschen« ließ. Roxane hatte die Fähigkeit, zwischen den Dimensionen hin und her zu pendeln. Wir hofften, daß sie mit einer Idee zurückkam, die uns half, das lebende Schwert für die schwarze Seite unbrauchbar zu machen. Sie war jetzt schon so lange fort, daß wir anfingen, sie zu vermissen - vor allem Mr. Silver. Er hatte verschiedentlich versucht, mit ihr telepathischen Kontakt aufzunehmen, doch sie war anscheinend zu weit entfernt, so daß seine ausgesandten Impulse sie nicht erreichen konnten.
Noch machten wir uns keine Sorgen um Roxane, aber jeder weitere Tag ohne sie brachte uns diesem Punkt näher.
Der Ex-Dämon drängte zum Aufbruch. Er brannte darauf, Terence Pasquanell wiederzusehen. Ich kannte seine Wunsch Vorstellung: Er wollte den Werwolf von Soho unschädlich machen, Bruce O’Hara wohlbehalten zurückbekommen und Terence Pasquanell vernichten.
Genau dasselbe wollte auch ich.
***
Wallace Olson fühlte sich unbehaglich im Werwolfkostüm. Er hatte mit einigen Gästen über die Nummer gesprochen und gemeint, daß es geschmacklos wäre, sie heute aufzuführen, nachdem die Bestie gestern Ellen Murphy umgebracht hatte. Sie behaupteten, das eine hätte mit dem anderen nichts zu tun, und es wären Leute nur wegen dieser Nummer in die Bar gekommen, er dürfe sie nicht enttäuschen.
In einer Woche würden er und Candice die Nummer wahrscheinlich ohne Gewissensbisse bringen. Was war der Unterschied zwischen jetzt und dann? Was änderten 7 Tage? Ellens Tod war nicht rückgängig zu machen - auch nicht damit, daß Candice Lee nicht tanzte. Man wollte den »Nightwolf« unbedingt Wiedersehen.
Wallace Olson hatte ein ausführliches Gespräch mit Candice, denn schließlich hing es in erster Linie von ihr ab, ob der »Nightwolf« auf die Bühne kam oder nicht. Sie sollte sich ganz allein und unbeeinflußt entscheiden. Nach diesem Gespräch, das für sie beide sehr wichtig gewesen war, stand fest, daß Candice wieder tanzen würde.
Bis jetzt war Mike Rogers in Olsons Bar nicht erschienen. Candice rechnete nicht mehr damit, daß er kommen würde. Er ächzte vermutlich gerade unter der schweren Arbeitslast, die er sich aufgebürdet hatte.
Olson befand sich in seinem Büro -schon fast ganz Werwolf. Er brauchte sich nur noch die Maske über den Kopf zu ziehen, doch damit ließ er sich noch Zeit, denn es war verdammt heiß darunter. Hastig rauchte er eine Zigarette und trank einen Gin, damit sich seine Nervosität in Grenzen hielt. Nachdem das Glas leer war, warf er einen Blick auf die Uhr. Es war Zeit, sich vollends in die furchterregende Bestie zu verwandeln.
Der Erfolg von »Nightwolf« ging zu einem nicht unwesentlichen Teil auf die großartig schaurige Maske zurück, davon war Wallace Olson überzeugt -ohne daß er Candices Leistung schmälern wollte.
Er setzte die Maske auf.
Jemand betrat sein Büro, ohne anzuklopfen.
Das hatte Olson nicht so gern.
Er war ein sehr toleranter Mensch, aber gewisse Spielregeln des guten Tons sollte man seiner Ansicht nach doch einhalten. Etwas verstimmt drehte er sich um.
Und im selben Moment erstarrte er, denn die Person, die eingetreten war, sah aus wie er. Wallace Olson hatte den Eindruck,
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