161 - Vollmond über London
dir völlig gleichgültig?«
Etwas wie ein Gewissen regte sich in Phanie. Sie schien zumindest zu überlegen, ob sie Bruces Qual lindern sollte.
»Nimm einen Stein weg«, bat Bruce O’Hara. »Nur einen einzigen Stein, das würde es leichter für mich machen, aber ich bliebe weiterhin Pasquanells Gefangener.«
Bruce wußte es nicht genau, aber er hoffte auf einen ganz anderen Effekt. Wenn die Wölfin einen Stein fortnahm, würde die Magie vermutlich in sich Zusammenstürzen, weil sie einer wichtigen Stütze beraubt wurde.
Zum Dank für die Befreiung hätte Bruce die Wölfin töten müssen - sie und den Vater ihres ersten Wurfs.
»Bitte, Phanie!« sagte Bruce O’Hara eindringlich. »Tu es für uns beide!«
Noch zögerte sie, aber sie schwankte bereits.
»Du könntest ein falsches Spiel mit mir spielen«, sagte Phanie unsicher. »Welche Garantie habe ich, daß du dich nicht gegen mich stellst, wenn ich dir helfe?«
»Terence Pasquanells Magie«, antwortete Bruce. »Du befreist mich nicht, wenn du einen Stein entfernst. Ich könnte dir nichts anhaben, selbst wenn ich wollte.«
Phanie trat näher.
Bruce O’Haras Herz schlug schneller. Sie würde es tun!
Als sie die Hand nach einem der glühenden Steine ausstreckte, erschien einer ihrer Söhne in der Höhle, um sie abzulösen. Damit war Bruce O’Haras Chance vertan. Enttäuscht erschlaffte er. Es war fraglich, ob er Phanie noch einmal so weit bringen würde.
Und wie weit würde er dann sein?
***
Candice sah Rita entgeistert an. »Es gibt außer dir noch einen Werwolf?«
»Ja«, antwortete Rita grimmig, »und hinter dem bin ich her.«
»Du bist hinter ihm her? Ich verstehe immer weniger. Ihr gehört nicht zusammen?«
»Ganz und gar nicht.«
»Was willst du von ihm?« fragte Candice benommen.
»Ich werde versuchen, ihn zu töten.«
»Und… wenn er stärker ist?«
»Dann werde ich sterben«, antwortete Rita ernst. »Ich habe keine Angst vor dem Tod.«
Candice wischte sich fahrig über die Augen. »Was… was bist du nun eigentlich, Rita?«
»Eine weiße Wölfin«, sagte das blonde Mädchen. »Ich kam nach Soho, um dieser gefährlichen Bestie das Handwerk zu legen.«
»Eine weiße Wölfin… Ich muß mich setzen!« stöhnte Candice. Sie ließ sich auf den Stuhl vor dem Schminkspiegel fallen, ihre Hände zitterten.
»Irgend etwas an Bruce O’Hara sprach mich sofort an. Erinnerst du dich? Inzwischen glaube ich zu wissen, was uns beide verbindet und wieso ich so stark emotional auf ihn reagierte. Bruce scheint so zu sein wie ich. Er muß ebenfalls ein weißer Wolf sein.«
Candice atmete schwer. »Ich kann das alles nicht verdauen, fürchte ich. Es ist zuviel auf einmal. Wie wird man ein… weißer Wolf?«
»Ich war Novizin in einem kleinen Kloster in Bexley, wollte Nonne werden. Ich war zur Krankenpflege eingeteilt, arbeitete unentgeltlich in einem kirchlichen Sanatorium. Eines Nachts lieferte man einen Schwerverletzten ein. Er war von einem Lastwagen überfahren worden, und es war ein Wunder, daß er noch lebte. Allen war klar, daß er sterben würde, dennoch taten wir, was wir konnten, um ihm zu helfen. Es nützte nichts. Als es mit dem Mann zu Ende ging, schrie und tobte er, und er entwickelte unvorstellbare Kräfte. Wir mußten ihn zu dritt festhalten. Er verletzte mich, es war ein unbedeutender Kratzer an der Hand, dem ich keine Beachtung schenkte. Heute weiß ich, daß dieser Kratzer mich und mein Leben völlig veränderte. Der Mann war ein Werwolf gewesen, und er hatte vor seinem Tod den Wolfskeim an mich weitergegeben. Ich wäre wie er geworden, wenn mein starker Glaube mich nicht davor bewahrt hätte. Ich wurde zum Lykanthropen, blieb aber auf der guten Seite. Das Kloster mußte ich allerdings verlassen. Der Traum, Nonne zu werden, war ausgeträumt.«
Candice musterte die Freundin eingehend. »Wie kann sich eine Ex-Novizin dazu überwinden, im ›Pussy Cat‹ aufzutreten?«
»Um den schwarzen Wolf zu kriegen, tue ich alles«, erwiderte Rita hart.
»Verkehrt er etwa im ›Pussy Cat‹?« fragte Candice. »Kennst du ihn?«
»Ich bin nicht ganz sicher, aber ich denke, daß es entweder Alan Burstyn oder Ivan Kuby ist«, antwortete Rita.
***
Ich fuhr durch die engen Straßen von Soho, und wir hielten nach Terence Pasquanell und dem Werwolf Ausschau, doch weder der eine noch der andere ließ sich blicken.
»Schauen wir kurz in Olsons Bar rein?« fragte ich den Ex-Dämon.
Mr. Silver nickte.
Ich schob mir ein Lakritzenbonbon zwischen die
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