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1610 01 - Der letzte Alchimist

1610 01 - Der letzte Alchimist

Titel: 1610 01 - Der letzte Alchimist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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Staub roch und dessen Bodenbretter knarrten, als ich auf und ab ging.
    »Roshfu-san!« Saburos tiefe Stimme und die sich öffnenden Tür ertönten gleichzeitig.
    Als ich herumwirbelte, sah ich, dass er allein war. Vielleicht war das gar keine Eile in seiner Stimme. Er ist der am schwersten zu deutende Mensch, dem ich je begegnet bin!
    »Und?«, verlangte ich zu wissen.
    »Ich werde den Kaiser-König sehen. Bald.« Was Saburo aus dem Ärmel holte, war mein Brief, wie ich sah – zerknittert und mit gebrochenem Siegel. Zumindest war er gelesen worden.
    »Ihr …« Saburo sprach, als wäre es in diesem Fall von besonderer Wichtigkeit, dass er die richten Worte wählte. »Ihr, Roshfu-san, werdet morgen Lord Seso-sama sehen.«
    Der Morgenwind aus Richtung Themse wehte mir ins Gesicht. Immer wieder schob ich mir Haarsträhnen über die Schulter und richtete mein Wams. Der Fährmann ruderte uns langsam an den vertäuten Heringsfischern vorbei, während die Sonne Lichtflecken auf dem Wasser tanzen ließ.
    »Ihr seid … glücklich.« Saburo wählte seine Worte noch immer mit Bedacht. »Ein Mann, der tut, was er nicht tun will, ist … glücklich?«
    Ich zuckte mit den Schultern, lächelte und starrte weiter den Fluss hinunter. Im hellen Morgendunst konnte ich die Umrisse von Flussbarken erkennen. »Ich habe ehrlich gesagt nicht erwartet, dass viel dabei herumkommen würde, und außerdem … Das ist mein Beruf.«
    Ich war noch immer besorgt genug, um wachsam zu bleiben, aber wahrlich nicht mehr.
    Saburo verlangte zu wissen: »Das da. Dort. Sind das Barken?«
    »Ja.«
    London hatte sich in den vergangenen sechs Jahren kaum verändert, seit ich zum letzten Mal hier gewesen war. Die Rufe der Straßenhändler an den Ufern; die Rauchwolken und kurz darauf der Kanonendonner, wenn die Artillerie im Tower einen edlen Besucher ankündigte; der Monolog des Fährmanns, der ein obszönes Englisch sprach, wobei ich über das zweifelhafte Privileg verfügte, ihn zu verstehen … Es fiel mir leicht, mir vorzustellen, nach dem Treffen heute wieder ins Arundelhouse zurückzukehren, zu Andre, Artaud und Maignan, alle im Dienste des Herzogs.
    An diesem Morgen hatte ich mich nicht sonderlich gut angezogen. Ich trug das inzwischen verstaubte burgunderrote Wams im englischen Stil und eine Pluderhose, und meine Stiefel waren zerkratzt. Das, so dachte ich, passte sehr gut zu meiner Rolle als mittelloser Spion des Doktor Fludd. Ich hatte nicht die Absicht, Cecil von meiner Stellung als Sullys erster Agent und bester Fechter zu erzählen, wenn er es nicht wusste. Es gibt Zeiten, da ist ein mittelmäßiges Aussehen durchaus von Nutzen. Nun muss ich nur noch darauf vertrauen, dass der Blick des Herrn Ministers scharf genug ist, eine Verkleidung zu durchschauen.
    Ich musste dieses Risiko eingehen. Was auch immer Messire Cecil wissen mochte, in jedem Fall wusste er besser, was in Paris geschah, als sonst jemand in England. Und ohne diese Information war ich blind.
    Das Fährboot drehte und ging steuerbord längsseits einer langsam fahrenden und reich geschmückten Barke. Ich stand auf und achtete auf Schwert und Sporen. Angetrieben von vielen Rudern glitt die Barke den Fluss hinauf. Der Bug reichte ein gutes Stück höher hinauf als ich, und ich hatte ein wenig Zeit, mir den Schmuck aus Samt, Seide und Gold anzusehen.
    Mit einer geschickten Ruderbewegung legte der Fährmann am Heck der Barke an. Saburo und ich sprangen gemeinsam an die Holzreling und hievten uns an Deck. Ich warf dem Bootsmann eine Börse für sein Können zu. Es ist schon ganz gut, dass ich eine königliche Barke nicht klatschnass betrete.
    Als ich mich umdrehte, sah ich, wie sich Saburo auf die Knie fallen ließ.

Rochefort: Memoiren
Fünfzehn
    Den Bruchteil einer Sekunde, bevor der kleine dunkle Mann auf uns zukam, kam mir in den Sinn, dass ich Monsieur Saburo einmal fragen musste, was diese ganzen Kniefälle in seinem Land zu bedeuten hatten. Hier kniet man nur vor Königen, dem Adel, vor seinem Herrn. Man kniet, um etwas zu erbitten oder um sich zu unterwerfen. Man kniet in der Kirche. Doch der Nihonese fiel nicht nur auf die Knie, sondern drückte auch noch seine Stirn auf den Boden – oder in diesem Fall auf die Planken.
    »Mylord Cecil.« Ich ließ es dabei bewenden, den Hut auszunehmen und mich auf ein Knie niederzulassen, wodurch ich noch immer einen Zoll größer war als er. »Monsieur Earl of Salisbury, nicht wahr?«
    Monsieur de Sully und dieser Mann hatten sich bei unserem

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