1610 01 - Der letzte Alchimist
direkt mit einem Mann wie mir sprechen würdet.«
»Ich erinnere mich an Euch aus Rosnys Gefolge.« Er musterte mich einen Augenblick lang. Seine traurigen Hundeaugen mochten durchaus verwundbar erscheinen, wenn man den Mann nicht kannte. »Außerdem, Monsieur, habe ich Euren Namen erst kürzlich gehört.«
Dass er Gerüchte sammelte, kam nicht unerwartet. Trotzdem ließ es mich schwitzen. Er könnte sich schon für die Königin ausgesprochen haben …
»Ich schmeichele mir«, fuhr Cecil fort, »ein wenig über Monsieur de Rosny zu wissen. Ich habe noch nie einen so skrupellosen Franzosen getroffen, aber auch noch nie einen so ehrlichen, so hart arbeitenden und so unbestechlichen … und noch dazu einen Mann, der sich seiner Tugenden und seines Status' durchaus bewusst ist! Außerdem ist er keiner von Euren Katholiken. Als Hugenotte benötigte er täglich Heinrichs Schutz. Ich kann mir genauso wenig vorstellen, dass er die Ermordung Eures Königs angeordnet hat, wie ich mir vorzustellen vermag, dass er fliegen kann.«
»Ich danke Euch, Monsieur.« Ich verneigte mich wieder.
»Kommt.« Cecil machte auf dem Absatz kehrt und führte mich unter Deck. Arbeiter senkten die Köpfe, als er vorüberkam, und fuhren dann fort zu hämmern, zu sägen und zu malen. Gehilfen eilten herbei, und Cecil gab eine Reihe rascher Anweisungen. Im Sonnenlicht wirkte er kleiner als ich ihn in Erinnerung hatte. Vor sechs Jahren hatte ich ihn nur in der strahlenden Pracht des Palastes gesehen, wo er der einzige Schatten gewesen war. Hier erweckte Minister Cecil lediglich den Eindruck, als sei ihm in seinen schwarzen Kleidern zu warm.
Seine kleinen Schritte ließen mich darauf achten, ihn nicht zu überholen. So schritt ich gelassen neben ihm her und bewunderte die Schnitzereien auf der Barke.
»Setzt Euch, Master Rochefort.« Cecil deutete auf einen Klappstuhl am Fuß einer Empore. Er selbst stieg auf die Empore, setzte sich auf einen mit rotem Samt gepolsterten Lehnstuhl und zog die Vorhänge darum zurecht, sodass man uns noch schlechter beobachten konnte. Der Stuhl war vermutlich für den König oder den jungen Prinzen bestimmt. Cecils kleine Schuhe berührten den Teppich nicht; doch aus dieser Position konnte er ein wenig auf mich hinunterblicken, und mein Gesicht war in der Sonne.
Er bat mich nicht, meinen Hut wieder aufzusetzen, und so saß ich ohne Kopfbedeckung im warmen Sonnenlicht.
»Was habt Ihr mir über diesen ›Master R. F.‹ und seine Verschwörung zu sagen, Master Rochefort?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Es waren des Mannes eigene Worte – blühender, astrologischer Unsinn, Mylord.«
Cecils Puppenfüße berührten einander. »Nur ein schlechter Händler erklärt seine Waren für unverkäuflich.«
Amüsiert er sich?, fragte ich mich. Von meinem letzten Besuch am englischen Hof erinnerte ich mich an Monsieur Cecil als düsteren Mann, der stets in Schwarz gekleidet war und wie eine Spinne durch die Gänge huschte. Die Menschen hatten ihn schon nicht gemocht, bevor die Große Elisabeth im Jahre 1603 gestorben war, und es hieß, die Menschen mochten ihn noch weniger unter ihrem Nachfolger James, der Cecil große Macht verliehen hatte. Das helle Sonnenlicht über der Themse ließ ihn in seinem schwarzen Wams mit dem großen Rüschenkragen klein und staubig wirken, kaum größer als ein zwölfjähriger Junge.
Er ist fast ein Zwilling von Messire Sully – deshalb streiten sie wohl auch. Nun wollen wir hoffen, dass er genauso wie dieser Ehrlichkeit zu schätzen weiß.
»Erzählt mir zunächst, was in Paris geschehen ist, Mylord«, sagte ich. »Wenn ich von ›R. F.‹ rede und Ihr mich hinauswerft, dann bin ich nicht besser dran als zuvor.«
Er hob die dünnen Augenbrauen. Zwar vermochte ich es anhand seines ernsten Gesichts nicht mit Bestimmtheit zu sagen, aber ich dachte: Gütiger Gott, ich glaube, ich habe Minister Cecil amüsiert.
»Ach, ist das so?«, erwiderte er mit voller Stimme.
Ja. Er amüsiert sich. Innerlich seufzte ich vor Erleichterung und hoffte, dass man mir das nicht ansah. Wäre er in anderer Stimmung gewesen, hätte er mich vielleicht einfach über Bord werfen lassen.
Cecil hielt die Papiere auf Armeslänge von sich. Ich schätzte ihn auf gut zehn Jahre älter als mich. Und er trug noch keine Augengläser, obwohl offensichtlich war, dass er es nötig hatte. »Stellt mir Eure Fragen, Monsieur Rochefort.«
»Hat Ravaillac gestanden, wer ihn angestiftet hat, den König zu ermorden?«
Cecil legte
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