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1610 01 - Der letzte Alchimist

1610 01 - Der letzte Alchimist

Titel: 1610 01 - Der letzte Alchimist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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Mannweib dachte. Vielleicht nagten ihre Weiblichkeit und damit verbunden die Tatsache, dass sie mich besiegt hatte, noch immer an mir. Auch wenn ich mir immer wieder einredete, dass mein Instinkt sie schon immer als weiblich erkannt und ich mich dementsprechend zurückgehalten hatte … Ich war mir damals dessen nicht bewusst gewesen.
    Aber es ist durchaus möglich, gestand ich mir ein, dass ich es wirklich nicht gewusst habe.
    Menschenleere Gassen erregten meine Aufmerksamkeit, als ich an ihnen vorüberkam, ebenso wie leere Schuppen und Verschläge neben Tavernen und Hurenhäusern, bis mir schließlich klar wurde, dass ich mir immer vorgestellt hatte, eine Konfrontation zwischen mir und Dariole würde im Geheimen ablaufen, unbemerkt von allen anderen.
    Wie in dem Stall in Ivry .
    Das ließ mich fluchen. Ich spie in den Rinnstein und marschierte, die linke Hand auf meinem Rapier, einfach weiter. Mir war egal, ob meine nach hinten herausragende Waffe irgendeinen Bürger auf der Suche nach einer Hure in den Bauch stechen würde. Die Gewaltbereitschaft, die mich im Augenblick durchströmte, hätte ein Gefecht willkommen geheißen.
    Ich bog in eine Straße ein, die mich an mehreren Etablissements vorbeiführte, wo Fechtmeister Schüler in ihrer Kunst unterwiesen. Ich glaubte nicht, hier einen Schüler zu finden, der in der Lage war, mir genügend Paroli zu bieten, als dass ich mir an ihm mein Gemüt hätte kühlen können – die guten Lehrer waren zweifelsohne in der City und nicht in den Vorstädten. Trotzdem: Entweder das, oder ich musste mir einen Kampf in einer Taverne suchen …
    Ich werde aber nicht unnötig das Blut eines Mannes an meinen Händen haben.
    Ich ging in mehrere Schulen hinein, um die Schüler bei ihren Übungen zu beobachten. Ich hätte mit Rapier, Breitschwert und Buckler oder Glaive kämpfen können; überall fand mein frustriertes Auge jedoch Mängel, und ich zog wieder weiter. Erst als ich die Eichentreppe in einem schmalen Hang hinaufstieg und einen salle des armes betrat, hörte ich eine Stimme, die mir nur allzu vertraut war – und ich wusste ebenso sofort, an was es mir gefehlt hatte.
    »Oh, gütiger Gott, mein! Primo, nicht secondo ! Von hier könnte ich Euren Ellbogen treffen. Und Euren Bauch! Zieht ihn ein!«
    Das war der vertraute, raue Ton eines heranwachsenden Jünglings.
    Gut ein Dutzend Männer standen in dem langen Raum und waren mehr schlecht als recht in die abgelegten Kleider irgendwelcher Edelleute gehüllt. Es waren Schauspieler, wie ich rasch bemerkte. Vermutlich gehören sie einem der Schauspielhäuser an, die Mademoiselle Dariole in letzter Zeit so häufig besucht hat. Und die mittelgroße Gestalt, die mit der Schulter einem Mann in grünem Wams zugewandt war, beide mit einem Florett in der Hand, war niemand anderes als Dariole höchstpersönlich.
    Stahl traf auf Stahl. Ich verschränkte die Arme, lehnte mich an einen Pfeiler der Galerie unmittelbar neben der Tür und beobachtete Dariole, wie sie jeden Knopf auf dem Wams des Schauspielers benannte und dann auch berührte, obwohl dieser sich redlich bemühte, sie daran zu hindern.
    »Ja, du könntest ihn töten«, rief ein dürrer, großer Kerl mit schwarzem Haar und pockennarbigem Gesicht herüber. »Aber kannst du ihn den Trick auch so lehren, dass die Lords in den Logen ihn auch mitbekommen?«
    »Den Leuten unten im Saal würde er besser gefallen!« Darioles Akzent war ein wenig besser als noch vor ein paar Tagen, als sie sich vor dem Haus ihres Vetters zum Narren gemacht hatte. Ihre neuen Schauspielerfreunde schienen das gar nicht zu bemerken. Schauspieler, Huren und Soldaten, alle waren sie wesentlich toleranter als die guten Bürger in ihren teuren Stadthäusern.
    Der dünne, pockennarbige Mann protestierte: »Die unten werfen aber keine Goldmünzen, wenn ihnen ein Duell gefällt!«
    Dariole grinste ihn an. »Ich dachte, du wärst ein Poet. Seit wann kümmert es dich, wer wie viel bezahlt?«
    In grimmigem Tonfall antwortete der Mann: »Seit ich ein Poet geworden bin!«
    Der Fechtmeister, ein alter Engländer mit kurzgeschorenem grauen Haar, nahm mich zur Seite, um mir ein paar notwendige Fragen zu stellen, wie ich sie auch aus einem Pariser salle des armes kannte, während er mich mit einer breiten Klinge ausstattete. Ich bewegte das Handgelenk und spürte, wie die Spitze sich nach unten neigte.
    »So fechtet Ihr?« Ich nickte zu dem kleinen Stoffsack voll Sand, der fest um die Spitze gebunden war. »Nur die Spitze?

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