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1610 01 - Der letzte Alchimist

1610 01 - Der letzte Alchimist

Titel: 1610 01 - Der letzte Alchimist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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Eurer Kameraden?«
    Ich vermochte seinen Gesichtsausdruck nicht zu deuten, wie es bei einem Angehörigen meines eigenen Volkes vermutlich der Fall gewesen wäre. Der Fremde hob den mit Sand verkrusteten Helm. So wie er aussah, schien er auf einen seltsam missgestalteten Schädel zu gehören. Instinktiv ließ ich meinen Blick über den Seetang wandern.
    »Hai.« Saburo nickte knapp. »Ihr habt Recht. Wenn da ein Helm ist, muss da auch mehr sein. Da muss …«
    Er verzog das Gesicht. Offenbar suchte er nach den passenden Worten.
    »Ein ›Kürass‹ vielleicht? ›Handschuhe‹? ›Harnisch‹?« Ich zuckte mit den Schultern. »Vollrüstungen sind zwar ein wenig altmodisch, Monsieur, aber wenn, sollten sie vollständig sein. Gibt es mehr davon?«
    Sein Gesicht nahm einen Ausdruck an, der genauso gut Trauer wie Wut hätte sein können. »Die Geschenkerüstung ist weg!«
    »Die Geschenke…«
    »Von Shogun-Herr Tokugawa Hidetada an England-Kaiser Iago!«
    »James«, korrigierte ich ihn instinktiv und schloss daraus, dass er sein Englisch von Männern gelernt hatte, deren Muttersprache Spanisch war. Noch ein Grund, misstrauisch zu sein.
    »Warum werft Ihr diese Männer ins Meer?«, fragte Tanaka Saburo unvermittelt. »Das Wasser spült sie wieder ans Ufer.«
    »Man wird annehmen, dass es sich bei ihnen um Seeleute handelt. Von Eurem Schiff, dem Wrack.« Ich hielt kurz inne und fügte dann hinzu: »Andere Männer werden nach den Toten suchen und zwar bald, wenn sie sich nicht bei ihren Herren melden. Ich hoffe, wenigstens für kurze Zeit verbergen zu können, was mit ihnen geschehen ist.«
    »Waren das Banditen? Feinde Eures Clans?«
    Es war wirklich schwer, in seinem fremden Gesicht zu lesen. Sein Kopf war vorn kahl mit einem Ring aus langem schwarzen Haar, dunkler noch als mein eigenes. Während ich zusah, strich er das nasse Haar zurück und band es zu einem Knoten zusammen. Der zweite Begriff, den er benutzt hatte, verwirrte mich ein wenig.
    »Es waren Feinde meines Herrn, Monsieur Saburo«, sagte ich, »wenn es das ist, was Ihr mit ›Feinde Eures Clans‹ gemeint habt.«
    »Hai.« Er grunzte. Dann blickte er den Strand hinunter zu den verbliebenen Leichen und fügte hinzu: »Haben wir noch Zeit, uns ihre Köpfe zu nehmen, um sie zur Schau zu stellen?«
    »Ihre Köpfe? Wir sollen uns ihre Köpfe nehmen?«
    Ich glotzte ihn an und schüttelte den Kopf. Nun sah ich auch zwei dicke schwarze gebogene Stöcke in dem Stoffband stecken, das er als Gürtel trug – dick genug, um der Klinge als Scheide zu dienen, die er im Kampf geführt hatte.
    Tanaka Saburo zuckte mit den Schultern. »Es gibt keinen Herrn hier, der sie sich anschauen könnte. Die Köpfe. Roshfu-san, suchen wir nicht nach ihren Pferden? Nach einem Mann, der sie bewacht?«
    Ich runzelte die Stirn. Die Frage hatte ich in meinem Geist schon längst beantwortet. »Er – oder sie – könnten überall in der Gegend sein. Wir haben keine Möglichkeit, sie zu finden. Und … Und ihre Herren brauchen keine Warnung, um zu wissen, dass hier etwas schief gelaufen ist. Sie werden es wissen, sobald offensichtlich ist, dass ihre Männer vermisst werden.«
    Saburo blickte den Strand hinunter, wo der blutige Sand allmählich von den Wellen weggespült wurde. Ich wusste nicht, ob er ein Mann mit scharfem Verstand war oder mehr die fremdländische Version eines einfachen Soldaten, wie ich sie in den Niederlanden befehligt hatte.
    »Ihr habt viele Männer getötet«, sagte er. »Nur die Lady-sama hat mehr getötet.«
    Ich bin nicht sicher, aber ich glaube, er konnte meinen Gesichtsausdruck genauso wenig deuten wie ich seinen.
    Er fügte hinzu: »Wird ein Hafenbeamter kommen? Ein Magistrat? Aus der Stadt?«
    Dumm ist er also nicht. Ich nickte. »Ihr habt Recht, Monsieur. Wenn wir Pech haben, wird das passieren. Sollte ich jedoch noch mehr Pech haben, ist der Herr dieser Männer nicht weit hinter ihnen und erwartet möglichst rasch ihren Bericht. Deshalb kann ich es mir nicht leisten, auf die Flut zu warten, um an Bord meines Schiffes zu gelangen.«
    Unvermittelt sank Tanaka Saburo auf die Knie, krümmte den Rücken und drückte die Stirn in den Sand. Er hielt den Helm vor sich. Ich muss gestehen, dass ich erschrak. Ich war wie erstarrt, die Hand auf dem Rapier – das ich inzwischen wieder weggesteckt hatte –, während er irgendetwas in seiner eigenen Sprache rief und sich dann auf die Fersen setzte.
    Er zog an seinem nassen Haar und seinen Wagen. »Wäre ich dessen würdig,

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