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1610 01 - Der letzte Alchimist

1610 01 - Der letzte Alchimist

Titel: 1610 01 - Der letzte Alchimist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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würdet Ihr mir sekundieren! Aber das bin ich nicht. Ich bin entehrt.«
    Ich rechnete fest damit, dass er sich auf mich stürzen oder sich selbst ein Leid zufügen würde, und ich hatte keine Ahnung, ob diese Form der Verzweiflung normal für seinesgleichen war oder was sie überhaupt zu bedeuten hatte.
    »Ich habe vor meinem Herrn versagt!«
    Bisweilen zuckt man unwillkürlich ob einer Bemerkung zusammen, die eigentlich gar nicht für einen selbst bestimmt war, und genau das tat ich in diesem Augenblick.
    »Messire Saburo …«, begann ich.
    Mit für sein Alter erstaunlicher Geschmeidigkeit stand er wieder auf und drückte den Helm an die Brust. »Ich habe vor meinem Herrn versagt. Nun ist es an mir, Buße dafür zu tun. Es ist an mir, zum England-Kaiser zu gehen und ihm zu sagen: ›Hier. Das ist alles, was mir geblieben ist.‹ Ich werde mich mit dem Gesicht im Staub entschuldigen und nach Nihon zurückkehren, um meine Mission zu beenden.«
    »Lebt sonst niemand mehr von Eurem Schiff?«
    Er schüttelte den Kopf. »Dort unten bei den Felsen sehe ich den Gesandten – tot.«
    Das mangelnde Interesse in seinem Tonfall erklärte ich mir entweder mit seinem Fremdsein oder mit der Tatsache, dass er im Laufe der Zeit ein gewisses Missfallen gegen den Mann entwickelt hatte.
    Der Nihonese sagte: »Ich kann erst auf die Erlösung des seppuku hoffen, wenn ich den Auftrag meines Herrn in England erfüllt habe. Deshalb, Roshfu-san, kann ich Euch auch nicht gestatten, mich zu töten.«
    Ich verbarg meine reumütige Belustigung. »Ist das so offensichtlich?«
    »Das.« Er deutete den Strand hinunter. »Das ist Clankrieg, und Ihr wünscht, es zu verbergen. Wenn ich hier bleibe, bin ich ein Zeuge. Wenn die Feinde Eures Herrn so sind wie die Feinde meines Herren, dann würden sie mich foltern. Also müsst Ihr mich entweder töten, um mein Schweigen zu garantieren, oder dieses ›Franz‹ verlassen. Ich werde gehen.«
    Ich nickte Tanaka Saburo auf jene Art zu, die unter Gleichgestellten als Verbeugung gilt. Ein schäbiger Spion, der vor den Behörden flieht, und ein zivilisierter, gestrandeter Dämon sind ungefähr gleich, wage ich zu behaupten.
    Er sagte: »Für einen einfachen Hauptmann der ashigaru seid Ihr viel zu höflich.«
    Ich vermutete, dass dieses hashagar oder wie auch immer ›Soldat‹ bedeutete. »Ihr geht nach England«, spekulierte ich, »weil Euer Herr dieser Gesandte war?«
    Saburo nickte vehement.
    So sachlich wie möglich sagte ich: »Ihr seid auf dem Weg nach England, Messire Saburo – und ich auch. Ich verfüge über Kontakte bei meinen Landsleuten. Auch kenne ich ein paar englische Adelige am dortigen Hof von früheren Besuchen vor sechs, sieben Jahren. Messire, sollte ich mich dazu entschließen, Euch am Leben zu lassen, würdet Ihr mich dann als Führer zum englischen Hof annehmen?«
    So kann ich dich wenigstens im Auge behalten und mich immer noch entscheiden, ob dein Tod notwendig ist oder nicht.
    Sein Gesichtsausdruck verriet mir nichts.
    »Wenn ich Euch anheuere als …« Er sagte ein weiteres Wort, das ich nicht verstehen konnte. Ich glaube, es hieß ›Ronin‹ oder so ähnlich. »Dann will ich nicht, dass Schande über mich gebracht wird. Roshfu-san, ich weiß, dass Ihr im Interesse Eures Herrn handelt. Ich bitte Euch nur, nicht den Interessen meines Herrn zuwider zu handeln.«
    Das Schnaufen der Stute hallte über den Strand. Ich drehte den Kopf und sah, wie Dariole sie so leicht am Zügel führte wie ein Stallbursche, der sie zum Futtertrog brachte.
    Tanaka Saburo blickte ebenfalls in diese Richtung. Als wäre ihm der Gedanke gerade erst gekommen, sagte er: »Ihr habt keine Bauern – keine Diener.«
    »Nein, das habe ich nicht.« Ich bemühte mich, keinerlei Emotion zu zeigen, als ich zu der jungen Frau blickte.
    Dariole grinste. Sie hatte die Bemerkung des Nihonesen beim Näherkommen gehört. »Rochefort kann den Diener spielen! Und wo gehen wir jetzt hin?«
    Bevor ich mich entscheiden konnte, ob ich den Nihonesen zum Schweigen bringen sollte oder nicht, antwortete dieser: »Wir gehen nach England.«
    »Nach England? Oh, aber ja! Ich habe Verwandte mütterlicherseits in England. Wir können bei ihnen wohnen!«
    »Wenn Ihr dort Familie habt, wird jeder Spion als erstes dort nach der vermissten Mademoiselle de la Roncière suchen«, bemerkte ich.
    Das Mädchen wippte auf den Zehenspitzen wie ein weit jüngeres Kind. »Wohl kaum. Die Markhams haben mich seit meinem fünften Lebensjahr nicht mehr

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