1610 02 - Kinder des Hermes
König Heinrich wird Männern gegenüber keine Gnade zeigen, die leichtfertig mit der Ehre und dem Namen seines verstorbenen Vaters spielen. Gesandter Saburo, ich bitte Euch um Verzeihung: Das ist eine Angelegenheit, mit der ich Eure Mission nicht unterbrechen sollte.«
Saburo grunzte. »Ich bin nur ein demütiger Hauptmann der ashigaru, Lord Seso. Verzeiht einem alten Soldaten seine Offenheit. Wir müssen nicht darüber reden, ob König Heinrich dieses oder jenes vergeben wird, denn es gibt keinen König Heinrich. König James lebt. Darauf gebe ich Euch mein Wort als Samurai.«
Cecil nickte anerkennend. »Auch wenn es wahr ist, dass es einige Ungereimtheiten in Bezug auf den Tod des letzten Königs gibt …«
»Seht Ihr?« Saburo deutete auf Cecil. »Ihr seid ein Magistrat. Ein Richter. Ihr müsst das Verbrechen untersuchen.«
Der winzige Mann hob die Augenbrauen, und unvorsichtiger, als ich ihn je gesehen hatte, bemerkte er: »Würde ich zum Gefolge des gegenwärtigen König Heinrichs gehören oder auch Lordrichter Coke, dann könnte man so eine Untersuchung wohl in die Wege leiten. Doch so, wie die Dinge im Augenblick stehen – verzeiht mir, Gesandter –, gibt es einen König Heinrich, neunter seines Namens, König von England und Schottland, und ihm schulden wir Treue.«
»Nicht im Gefolge des Königs?« Ich stellte die Frage nur wenige Augenblicke, bevor James Stuart etwas sagen konnte. Aus dem Augenwinkel hatte ich gesehen, wie er bereits den Mund geöffnet hatte. »Dann gehört Ihr nicht zu Heinrichs Ratgebern, Mylord?«
»Der junge König zieht die jungen Männer aus seinem Umfeld vor, was auch nur natürlich ist.« Cecil sprach bewusst zu Saburo, als hätte der Samurai ihm die Frage gestellt. »Es ist durchaus möglich, dass wir demnächst einiges mit dem König von Japan zu besprechen haben. So könnte es nächstes Frühjahr zum Krieg mit Spanien kommen. Aber das ist nicht der Punkt. Man hat mich darüber informiert, dass dieser falsche James aus einem Schauspielhaus in Southwark in den Tower gekommen ist.«
In meinem Kopf fügte sich eines zum anderen, und nun erklärte sich auch ihr Fehlen im Tower. »Das hat Euch Mistress Lanier erzählt, Mylord.«
Wie es aussah, spielte sie noch immer Fludds Spiel.
Cecil schaute zu mir hinauf. Ich vermutete, dass die Ereignisse der vergangenen Woche ihn schwer erschüttert hatten. Er verriet sich dadurch, dass er sich verärgert darüber zeigte, erneut mit dem Spion des Duc de Sully sprechen zu müssen.
»Ich kann Euch einfach nicht verstehen, Master Rochefort. Die Aussage dieser Lanier bestätigt alles, was Ihr mir über die Verschwörung zur Ermordung von König James erzählt habt. Auch sie hat mir erklärt, Master Fludd würde im Hintergrund die Fäden ziehen.«
Ah ja. Es ist selten klug, auf zwei Hochzeiten tanzen zu wollen.
»Habt Ihr ihn verhaftet?«, warf ich ein.
»Wie es scheint, befindet sich Doktor Fludd zurzeit nicht in London.«
Ich schaute nicht zu Dariole. Ich wusste, was sie dachte. Selbst Lord Cecil ist nicht unfehlbar.
Minister Cecil lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Sein Gesicht war kreideweiß. Schlecht gelaunt schnappte er: »Ihr kommt mir mit diesem unsinnigen Schauspielerkönig …«
Saburo hob die Hand und blickte Cecil in die Augen. »Schickt Eure Männer hinaus. Wir wollen vertraulich miteinander reden.«
»Und Eure Männer? Werden sie sich ebenfalls zurückziehen?«
»Sie sprechen kein Englisch«, log Saburo Cecil in gleichmütigem Tonfall ins Gesicht. »Schickt Eure Männer hinaus, Seso-sama.«
Cecil zögerte einen langen Augenblick, doch schließlich hob er die Hand und winkte seinen beiden Männern zu gehen. Die beiden schauten einander an, und der Minister schnappte: »Raus!«
Sie zögerten noch immer, doch dann gingen sie, und die schwere Eichentür schloss sich hinter ihnen.
Das sind Heinrichs Männer, dachte ich. Heinrich traut Cecil nicht. Nun, das ist interessant.
Cecil sprach, bevor Saburo etwas sagen konnte.
»Hört mir zu, Gesandter. Die Aussagen eines Fremden aus Japan, eines französischen Spions und eines weiblichen Stückeschreibers werden nicht ausreichen, einen ehrenhaften englischen Prinzen des Verrats zu überführen.«
In dem sonnendurchfluteten Raum, mit dem Lärm der Menge draußen vor den Glasfenstern im Hintergrund und dem Geruch frischer Farbe von irgendwoher in der Nase blickte ich auf den kleinen, buckeligen Mann in seinem schwarzen Trauergewand hinunter.
»Es könnte aber reichen, um
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