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1610 02 - Kinder des Hermes

1610 02 - Kinder des Hermes

Titel: 1610 02 - Kinder des Hermes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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nach London gebracht habt! Das ist eine Beleidigung an das Andenken von König James. Es schadet meinen Bemühungen, diesen Parasiten Heinrich wieder zu entfernen. Ihr seid ein Narr, Rochefort!«
    Ich verneigte mich. Robert Cecils Stuhl kratzte über die nackten Bodenbretter. Er schlug mit den Händen auf den Tisch und funkelte mich voller Zorn mit seinen dunklen Augen an. »Ich werde Euch hängen und vierteilen lassen, Spion! Ihr hättet ihn retten können. Aus welchem anderen Grund wart Ihr denn bei dem Maskenspiel an seiner Seite? Ihr hättet den König am Leben erhalten sollen! Nicht wegrennen, um Eure eigene Haut zu retten! Wäre ich nicht so dumm gewesen, Euch zu vertrauen, würde James vielleicht noch leben!«
    Ebenso laut knurrte ich: »Man könnte sagen, ich hätte Euch eine Chance gegeben, Mylord, nur habt Ihr versagt, sie auszunutzen! Jeder andere Mann hätte schon längst Regent für Prinz Charles sein können – seine verwitwete Mutter ist keine Maria di Medici! Ihr seid Politiker genug, um hier ihre Position einzunehmen!«
    »Ich werde mir das nicht länger anhören!«
    »Weil ich Eure geheimen Gedanken ausspreche?«
    Seine Augen brannten förmlich. Einen Augenblick lang wünschte ich mir trotz seiner winzigen Gestalt, ich hätte die Waffen nicht im Vorraum zurücklassen müssen.
    Langsam setzte Robert Cecil sich wieder.
    Er sprach mit brüchiger Stimme. »Ihr überschätzt mich, Monsieur Rochefort. Ich bin nicht so clever wie ein Franzose. Solch eines Verrates bin ich nicht fähig.«
    Er beugte sich vor. Es war, als wäre außer uns beiden niemand im Raum.
    »Ist es das, was dieser Schwindler ist? Einfach nur ein Pfand, das der Erpressung dient? Glaubt Ihr, ich würde Euch und ihn mit einer dicken Börse Gold abfertigen, um Euch loszuwerden? Ist es das?«
    Unbekümmert zuckte ich mit den Schultern. »Und falls dem wirklich so sein sollte?«
    Der kleine Mann warf mir einen derart verächtlichen Blick zu, dass ich bis zu den Ohren errötete, obwohl ich keinen Grund dazu hatte.
    Cecil sagte: »James Stuart und ich haben gemeinsam den Großen Vertrag mit dem Parlament geschlossen. Die entsprechenden Gesetze hätten wir wohl diesen Herbst verabschiedet. Allein das war schon eine äußerst delikate und schwierige Angelegenheit, die mehr wert war, als Ihr auch nur annähernd verstehen könntet. Ich vermag nicht vorauszusehen, was sich nun zwischen Heinrich und dem Unterhaus ergeben wird, aber ich habe Angst um dieses Land. Und Ihr … Ihr habt uns in diese Lage gebracht, weil Ihr geglaubt habt, reich werden zu können, indem Ihr den Mann verratet, den mit Eurem Leben zu beschützen, ich Euch aufgetragen habe!«
    Weder Saburo noch Dariole rührten sich; ich glaube, sie wagten kaum zu atmen. Ich fühlte, wie James Stuart neben mir von einem Fuß auf den anderen trat. Nur noch ein wenig Geduld, Sire …
    »Ihr seid ein Narr!«, sagte Cecil verbittert.
    Er stand auf und humpelte um den Tisch herum, bis er unmittelbar vor mir stand und zu mir hinaufblickte. Unsere unterschiedliche Körpergröße schien ihn nicht im Mindesten zu kümmern.
    »Ihr seid ein Spion, ein Meuchelmörder und ein Verräter. Ihr seid ein Narr«, wiederholte Cecil, plötzlich mit müder Stimme. »Aber immerhin werdet Ihr dafür hingerichtet werden. Gott sei mein Zeuge. Ich wünschte, ich hätte Euch bei unserer ersten Begegnung mit dem Schwert niedergestreckt. So bin auch ich ein Narr.« Er wandte sich von mir ab und murmelte geistesabwesend vor sich hin: »Ein Narr. Wie auch König James, der so gestorben ist. Ein Narr.«
    Es war, als würde er unbewusst seine Gedanken laut aussprechen. Ich glaube, er wusste tatsächlich nicht, dass er überhaupt gesprochen hatte. Krankheit, Schlaflosigkeit und bittere Sorge, all das hatte Spuren in seinem Gesicht und auf seinem gebeugten Rücken hinterlassen. Ich schickte mich an, mich umzudrehen und zu sagen: Euer Majestät, nun ist die Zeit gekommen.
    Bevor ich jedoch etwas sagen konnte, trat James Stuart hinter Saburo hervor und riss an dem Tuch um sein Gesicht. Robert Cecil blickte verärgert zurück.
    »Master Saburo, Euer Mann …«
    James riss das letzte Stück Tuch herunter und warf es zu Boden. Dann legte er die Hand auf den zerzausten Bart und trat auf Robert Cecil zu.
    Cecil starrte ihn sprachlos an.
    Für einen langen Augenblick schauten sie einander nur an: der Schotte in dem fremdländischen Gewand und sein Ratgeber in nüchternem schwarzen Wams und Pluderhose.
    Wäre ich so weit gegangen,

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