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1610 02 - Kinder des Hermes

1610 02 - Kinder des Hermes

Titel: 1610 02 - Kinder des Hermes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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mittleren Alters, der die Hand einer jungen Frau auf seinen Schwanz gezwungen hatte.
    Obwohl ich mir im Augenblick nicht vorstellen kann, was.
    »Ich werde zu ihr gehen und mich noch einmal bei ihr entschuldigen«, sagte ich laut in die Nacht und lachte lauthals auf. »Von Mann zu Mann …«
    Die kühle Luft machte mich wieder nüchtern genug, dass mir keine Entschuldigung mehr für mein Verhalten einfallen wollte. Ich weiß, was ich tun werde, wenn ich sie wiedersehe. Ich werde mich vor ihr auf den Boden werfen … oder vielleicht werde ich sie auch küssen und versuchen, ihr zu beweisen, dass nicht alle Männer gleich sind, dass die, die sie missbraucht haben, Tiere waren. Ich jedoch bin ein Mann …
    Und sie wird wieder nur Angst vor mir haben. Ich sehe es in ihrem Gesicht.
    Ich dachte darüber nach, wie gern ich Monsieur Dariole in Paris voller Angst gesehen hätte; doch das war jetzt schon drei Monate her. Wieder lachte ich, laut genug diesmal, um die Raben aus ihren Nestern an der Mauer zu scheuchen.
    »Ich denke, ich werde ihr schreiben«, sagte ich.
    In jener Nacht bekam ich nicht gerade viel Schlaf. Ich verbrachte die Zeit in meinem Quartier und kritzelte ein Blatt Papier nach dem anderen voll und warf sie dann allesamt ins Feuer.
    Für gewöhnlich fehlten mir nie die Worte, wenn es darauf ankam. Zur Erziehung eines Gentleman gehörten zumindest die Grundbegriffe der Rhetorik und Poesie.
    Gegen zwei Uhr nachts schrieb ich Sonette in strengem Versmaß – ein zwielichtiger Spion und entehrter Gentleman, der glaubte, einer Sechzehnjährigen den Petrarca vorspielen zu können! – und hatte gerade noch genug Verstand, um zu erkennen, dass ich nicht mehr bei Sinnen war. Ich verbrannte meine Poesie. Sie war mies.
    Mir fällt einfach nichts ein, was ich zu Papier bringen könnte, dachte ich und blickte zum Fenster hinaus. Doch ich will mich ihr erklären, bevor wir uns wiedersehen, zumal das aller Wahrscheinlichkeit nach in der Öffentlichkeit sein wird. Bis jetzt bin ich aber nicht weitergekommen als: ›Mademoiselle, ich entschuldige mich.‹ Der Rest ist unverständliches Geseiere.
    Eine Stunde vor Sonnenaufgang schlief ich mit dem Kopf auf dem Tisch ein. Weder die Turmuhr noch der Junge, den ich dafür bezahlt hatte, mir Rasierwasser zu bringen, weckten mich.
    Schließlich rührte ich mich jedoch wieder, und die Sonne warf die Schatten des Fenstergitters über die Papiere vor mir.
    Auf meinem Bett lag keine leinene Samuraikleidung; also behielt ich meine eigenen Kleider an, so zerlumpt sie nun auch aussehen mochten. Nachdem ich lediglich den Kopf in einen Wassereimer gesteckt hatte, warf ich mir rasch Mantel und Hut über, lief zum Stall – und holte unrasiert und zerzaust gut hundert Meter hinter dem Tor die Eskorte des nihonesischen Botschafters ein.

Rochefort: Memoiren
Sechsunddreißig
    Im Stall hatte man mir einen Braunen gegeben, der mehr Lust daran verspürte, sich auf dem Gras des Tower Hill zu wälzen als sonst irgendetwas. Ich lenkte ihn in den Zug des nihonesischen Gesandten und schob mich mitten hinein, als wir die Stadt betraten.
    Menschen drängten sich hinter uns auf den Straßen, und eine Reihe von ihnen folgte uns sogar ein Stück. Gildenangehörige oder schlicht Neugierige. Ein paar von Heinrichs Anhängern ließen den Samurai ihr Missfallen hören. »König James' Dämon!«, riefen sie. Als wir vorankamen, sah ich weitere Gesandte auf der Straße, und mein Herz zog sich zusammen, als ich vergeblich nach dem Gesandten Frankreichs suchte.
    Dariole funkelte mich an. Sie trug die Kopfbedeckung eines Samurai – was ein Tuch war, das um den Kopf gewickelt und unter dem Kinn befestigt wurde. Die Wangen waren fast völlig davon bedeckt, ebenso wie die Stirn. Es musste schon ein ungewöhnlich cleverer Mann sein, der sie in dieser Verkleidung zusammen mit dem nihonesischen Leinengewand erkannte.
    Saburo ritt an der Spitze unseres kleinen Zugs in Begleitung von ein paar Towergardisten, die Sir William Waad Seiner Majestät zur Verfügung gestellt hatte. Hinter Saburo ritt ein Mann im fremden Gewand eines Samurai von fast der gleichen Gestalt wie er: schwerer Leib und breite Schultern.
    Niemand würde den König in Kimono und hakama erkennen, zumal auch noch sein Gesicht verhüllt war; soviel war sicher. Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen.
    Dariole drehte sich im Sattel um. »Schwere Nacht gehabt, Messire?«
    Ihr Tonfall war kalt und voller Sarkasmus. Sie hatte die Hand auf dem Wehrgehänge,

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