1610 02 - Kinder des Hermes
leise. »Sie gibt mir die Schuld dafür, und möglicherweise hat sie sogar Recht damit.«
»Als ich sie in der Burg gesehen habe, hat sie Furada die Schuld gegeben.« Saburo drehte sich zu mir um. »Im Tower.«
Ich starrte ihn an. »Dann hatte Northumberland sie also doch im Tower? Dort hat sie also gesteckt. Wie habt Ihr sie gefunden? Und wie habt Ihr sie befreit?«
Saburo schaute mich triumphierend an. »Ich bin an den Hof des König-Kaisers gegangen, zu der Lady- daimyo, die wir im Familienhaus von Dari-oru-sama gesehen haben. Ich habe mir gedacht, dass sie Dari-oru-sama vielleicht kennt, weil sie doch bei deren Clan gewesen ist. Ich habe gehört, dass die Lady-daimyo bereits sechs Sprachen spricht. Also habe ich sie gefragt, ob sie noch eine lernen will. Tatsächlich wollte sie auch die Sprache Nihons lernen, und so habe ich angefangen, sie sie zu lehren. Ihr Name«, fügte Saburo knapp hinzu, »ist A-be-ra.«
Ich rief mir das rote, drahtige Haar ins Gedächtnis zurück und den freudigen Gesichtsausdruck, der kurzzeitig Hässlichkeit in Schönheit verwandelt hatte. »A-be-ra … Arbella?« Ich schluckte vernehmlich. »Lady Arbella Stuart?«
»Hai. Die Cousine des Königs, daimyo Abera.« Saburo zog die Mundwinkel nach unten. »Ich musste jedoch herausfinden, dass sie Dari-oru-sama gar nicht kennt. Aber die Hochzeit, die wir dort gesehen haben … Sie hat einen Mann geheiratet, den König-Kaiser James nicht mag. Einen jungen Mann aus einem falschen Clan mit Anspruch auf den Thron des König-Kaisers.«
Ich versuchte, so gut es ging, den Schmerz in meinen Gliedern zu verdrängen. »Und was hat das alles mit Dariole zu tun, Monsieur?«
Saburo verschränkte die Arme vor der Brust. »Sie sind gekommen und haben Abera-sama verhaftet; aber sie haben sie nicht hingerichtet. Ich verstehe noch immer nicht, warum die gaijin so was tun. Und dann haben sie sie in den Tower gebracht!«
Das Lächeln des Samurai machte mich nervös.
»Einige Tage später hat Lady Abera-sama mich dann gebeten, zu ihr zu kommen und sie weiter in der Sprache Nihons zu unterrichten. Ich hielt das für sicher, ne? Wenn Furadas Männer mich beobachtet haben, haben sie auch gesehen, dass ich keine Wahl hatte.«
Vielleicht war ich von dem Schmerz ja ein wenig verwirrt, in jedem Fall verstand ich nicht so recht. »Und weshalb war es dann sicher, im Quartier des Earls nach Dariole zu suchen?«
»Das war gar nicht nötig. Als ich sie beschrieben habe, hat Lady Abera-sama sie dieses Mal gekannt. Sie hat gesagt: ›Es gibt da eine junge Dienerin; sie ist krank. Diese junge Frau ist Dari-oru-sama. Ich habe sie hier bei mir.‹«
Ich starrte ihn an.
»Sie …? Wie?«
Der Samurai schüttelte den Kopf wie ein Europäer. Offensichtlich hatte er genügend Zeit bei Hofe verbracht, dass das ein oder andere auf ihn hatte abfärben können.
»Dari-oru-sama hat mir später erzählt, dass sie gesehen hat, wie Markham-san Abera-sama im Tower besucht hat. Sie traut ihm nicht, aber als Dari-oru auf dem Wehrgang spazieren gegangen ist, hat sie mit Abera-sama geredet. Sie hat ihr gesagt, dass sie die Dienerin eines grausamen Mannes sei. Lady Abera-sama hat daraufhin zu Northumberland gesagt …«
Saburo sprach den Namen tatsächlich so aus, dass ich ihn verstehen konnte.
»… Sie hat zu ihm gesagt: ›Eure Dienerin ist sehr krank. Sie ist misshandelt worden, und nun werde ich mich um sie kümmern.‹«
»Ich …« Ich runzelte die Stirn. »Als sie auf den Wehrgängen spazieren gegangen ist?«
»Mit einer Wache des Earls. Furada hat gehofft, dass Dari-oru von der Mauer springen und sich so selbst töten würde.« Der Samurai zuckte pragmatisch mit den Schultern. »Abera-sama hat mir erzählt, dass der Earl -daimyo ohnehin glaubt, Edelfrauen seien viel zu mildtätig – wie die Priester der Schwarzen Krähe. Deshalb hat er auch geglaubt, sie würde sich nur aus Mitgefühl um die Dienerin kümmern. Doktor Furada hat vermutlich nichts davon gehört«, fügte Saburo hinzu, »da Earl-sama ihm nicht hat sagen wollen, dass er Dari-oru-sama verloren hat. Tatsächlich glaubt Earl-sama wohl nach wie vor, dass sie noch immer im Tower ist, zumal Abera-sama gesagt hat: ›Dari-oru könnte durchaus an den Folgen der Vergewaltigung sterben. Sie ist krank. In jedem Fall wird sie lange im Bett bleiben müssen.‹«
Trotz der durch den Schmerz hervorgerufenen Benommenheit drang das ein oder andere zu mir durch. »Aber sie ist doch nicht wirklich krank, oder?«
Saburo
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