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1610 02 - Kinder des Hermes

1610 02 - Kinder des Hermes

Titel: 1610 02 - Kinder des Hermes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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professionellen Duellanten: Es ist getan, es ist vorbei. Ich muss nicht mehr weiterkämpfen. Ich kann mich ausruhen.
    Nein. Dem habe ich mich nie ergeben.
    Darioles Schwertspitze kam vor meinen Augen zum Stillstand.
    Die Sonne war weitergewandert, und so konnte ich im braunen Schatten des Stalls nur noch ihren weißen Kragen sehen; der Rest war ein dunkler Schatten. Nur auf ihrer Klinge spiegelte sich nach wie vor das Licht, als sie sie wieder senkte.
    Instinktiv begann ich, im Geiste zu planen: Pack ihr Schwert, und reiß ihr den Dolch aus der Nebenhand. Tritt ihr dann die Beine weg, und ramm ihr ein Fuß Stahl in den Leib. Falls ich denn treten kann …
    »Rochefort«, sagte sie.
    Ich hörte einen rauen, neuen Unterton in ihrer Stimme, nur in diesem einen Wort. Ihre Haltung war zweckmäßig, keinerlei Spielereien mehr. Alles war aufs Töten ausgerichtet. Ihr Gesicht sah aus, als hätte sie seit einer Woche nicht mehr geschlafen.
    Gewohnheitsmäßig taxierte ich sie mit den Instinkten eines Fechters. Ohne Schlaf mangelt es ihr an Ausdauer, aber dass sie halb verrückt ist, macht sie umso gefährlicher … Als Valentin Rochefort, als der Mann und nicht als der Duellant, wollte ich mich ihr zu Füßen werfen und mein Gesicht in den Staub drücken.
    Du hast es mir nicht gesagt.
    Sie hätte mir die Klinge in den Hals rammen können, und ich hätte es nicht bemerkt; das erkannte ich plötzlich.
    Ich bettelte nicht.
    Ich würgte heraus: »Es tut mir Leid.«
    Irgendetwas in ihrem Gesicht veränderte sich. In dem braun-goldenen Licht sah ich, wie sie die Lippen zurückzog und die Zähne entblößte … wie ein Mann, der etwas nur mit dem größten Ekel aß.
    Ich schwitzte und spürte, wie die Kraft meinen Körper durch die Wunde verließ. Dennoch gelang es mir im Geiste, die junge Frau von der Waffe zu trennen, deren Klinge aus schlichtem, englischen Stahl bestand, ein Schwert, wie sie es sich in jeder Schmiede hatte besorgen können … nur dass diese Waffe mich auf schmerzvollste Art töten würde, sollte ich nicht die richtigen Worte für diese Frau finden.
    Ohne nachzudenken, streckte ich die Hand aus und schloss sie um die Klinge, die mich bedrohte.
    Nur mein Handschuh verhinderte, dass sie mir in das weiche Fleisch zwischen Daumen und Zeigefinger schnitt, und mein Hosenbund war alles, was sich noch zwischen der Spitze und meinem Bauch befand.
    »Wie habe ich jemals auch nur denken können, dass ich das will?«
    Erst als ich Darioles Gesicht sah, wurde mir bewusst, dass ich laut gesprochen hatte.
    In dieser Sekunde waren wir uns so nah, als würden wir einen Geist teilen. Ich sah, wie sie sich an die Fechtschule erinnerte und an den wehrlosen Monsieur Rochefort, wie er vor ihr kniete, sein Schwanz so steif wie ein Schwert. Und ich sah, wie sie mich jetzt sah: zu ihren Füßen, blutig, hilflos.
    Anspannung bebte in ihrer Stimme – dieselbe Anspannung, die ihre Schultern verkrampfte, sie ihre Augen zu weit aufreißen ließ und ihr Lächeln auf beunruhigende Art strahlend machte. Sie sagte: »Du widerst mich an.«
    Ich machte ein Geräusch, halb Lachen, halb Schluchzen. Ich hatte mir gewünscht, dass sie sich von Monsieur Rochefort angewidert zeigt, doch nun da sie es war, wünschte ich, es wäre anders.
    »Ich widere mich selbst oft an«, erwiderte ich mit erstickter Stimme. »Dariole. Warum?«
    Ihr Gesichtsausdruck ließ mich an andere Gefechte denken. Ich sah keinen Zorn in ihren Augen, keinen Hohn und auch keinen Sadismus; ja, ich sah noch nicht einmal die effiziente Freude, mit der sie am Strand in der Normandie getötet hatte. Nun war keine Zeit für ›Gnade!‹, ›Verschont mich!‹ oder ›Bitte, Mademoiselle, ich werde alles tun, was Ihr wollt!‹.
    »Bitte, Mademoiselle«, sagte ich in sanftem Ton, »warum tut Ihr das?«
    Sie blickte auf mich hinunter.
    In dem darauffolgenden Schweigen entwich mir ein lauter Furz.
    Er war laut genug, um von den Stallwänden widerzuhallen. Unwillkürlich zuckte ich zusammen. All meine Muskeln verspannten sich, während ich auf ein spöttisches Lachen wartete. Was wird sie sagen? Wie wird sie mich verspotten? Wird sie mich schier aus Verachtung töten?
    Dariole lachte weder, noch bewegte sie sich. Sie schaute einfach nur weiter auf mich hinunter, das Schwert in der Hand und offenbar ein wenig ungeduldig.
    Ich spürte, wie ich vor Verlegenheit errötete; mit erotischen Gefühlen hatte das diesmal jedoch nichts zu tun.
    Wäre das früher passiert, Dariole hätte lauthals

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