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1610 02 - Kinder des Hermes

1610 02 - Kinder des Hermes

Titel: 1610 02 - Kinder des Hermes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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verstanden. Nur habe ich beschlossen, Euch zu ignorieren.«
    Dariole schnaufte verächtlich. Ein Mann, der sie weniger gut kannte als ich, hätte die Unsicherheit in ihrer Stimme vermutlich überhört … eine Erkenntnis, die mich nun doch überraschte.
    Für ein Objekt perverser Begierde, das ich ansonsten eigentlich gar nicht mochte, kannte ich sie viel zu gut.
    Im Zelt schien es wärmer zu sein als draußen. Die junge Frau hatte die Strümpfe ausgezogen und saß nun mit nackten Füßen da. Ihr bleiches Leinenwams stand offen und enthüllte das Batisthemd darunter, welches sie bis zum Dekolleté aufgeknöpft hatte. Sie stützte sich auf ihren Ellbogen, wandte sich von mir ab und tat so, als würde sie lesen.
    Zu versuchen, mich zu setzen, und mich anschließend aufgrund der Schmerzen wieder unbeholfen zu erheben, wäre ein wenig zu peinlich gewesen. Also stützte ich mich stattdessen nur auf meinen Stock und nahm den Hut ab. Monsieur Rochefort steht barhäuptig vor Mademoiselle Dariole, dachte ich. Zu jeder anderen Zeit hätte ich zynisch gelächelt.
    »Robert Fludd hat mich erst einmal verprügelt«, sagte ich, »als ich ihn zum ersten Mal begegnet bin. Ihr wisst das. Das scheint so eine Art Prinzip für ihn zu sein.«
    Meine Stimme hallte hohl durch die heiße Luft. Ich blieb beharrlich.
    »Und falls es wirklich so sein sollte, war das vermutlich auch bei Eurer ersten Begegnung mit ihm sein Ziel: Er wollte Euch körperlich einschüchtern …«
    »Ich habe ihn noch gar nicht getroffen«, unterbrach Dariole mich in kaltem Ton. »Nur seine Männer. Luke und John. Aber die sind mir egal. Er trägt die Verantwortung.«
    Sie sah mich nicht an. Sie rollte sich noch mehr zusammen, und Dank der Unordnung, die im Zelt der Schauspieler herrschte, konnte ich sie nun noch schlechter sehen. All mein Gewicht auf den Stock gestützt setzte ich mich in Bewegung und suchte mir einen Weg zwischen Kissen, Truhen, Pritschen, auf dem Boden liegendem Geschirr und Kleidung hindurch auf sie zu.
    »Mademoiselle …« Ich musste kurz innehalten und erst einmal tief durchatmen. Das rechte Knie zu beugen, bescherte mir neue Schmerzen in der Wunde, die nun schon seit einigen Stunden heiß und geschwollen war. Dann stieß ich auch noch gegen einen achtlos beiseite geworfenen Stiefel, was mich leise, aber vehement fluchen ließ.
    »Wie Ihr seht, kann ich nicht vor Euch niederknien«, sagte ich, als ich die Fassung wiedererlangt hatte und nur noch gut einen Schritt von ihr entfernt war. »Also muss ich Euch stehend um Verzeihung bitten.«
    Dariole blickte noch immer nicht zu mir hinauf. »Ich habe Euch nicht um eine Entschuldigung gebeten. Glaubt Ihr denn, dass Ihr das könnt?«
    Ich zuckte mit den Schultern und versuchte, die Atmosphäre ein wenig zu entspannen. »Sonderlich viel Übung habe ich jedenfalls nicht darin, wie ich gestehen muss. In meinem Beruf ist das nicht üblich.«
    »Euer ›Beruf‹ ist der des Spions und Mörders … Lasst uns das nicht vergessen.«
    Sie drehte mir den Rücken zu, und ich blickte auf ihr Haar, das ihr inzwischen bis zum Nacken reichte und im diffusen Licht schimmerte.
    Wie ich so über ihr stand, konnte ich sehen, dass sie sich nicht nur in den Kissen vergraben hatte, sondern eines mit der freien Hand an die Brust gedrückt hielt. Meine Augen brannten in dem Wunsch zu weinen, und ich hätte niemandem sagen können warum.
    »Ich gebe mir selbst die Schuld dafür«, sagte ich.
    Dariole versteifte sich und hob den Kopf.
    Unvermittelt richtete sie sich auf, warf dabei die Pamphlete beiseite und klammerte sich an das Kissen. »Ich gebe Euch auch die Schuld daran! Oder ist Euch das noch nicht aufgefallen?«
    Ich schluckte eine bissige Erwiderung hinunter. Mit ihrer Feindseligkeit zurechtzukommen … ja, das war einfach … einfacher jedenfalls, als sich mit ihrem Schmerz und Leid auseinander setzen zu müssen.
    Um die Wahrheit zu sagen, ich hätte mich wohler gefühlt, wenn ich vor ihr hätte knien können. So über ihr aufzuragen, hatte so ganz und gar nichts Unterwürfiges an sich. Aber vielleicht war das auch ganz gut so.
    Ich hakte nach: »Ihr habt das Ganze nicht wirklich durchdacht, Mademoiselle. Ja, ich hätte Robert Fludd anlügen können. Ich hätte behaupten können, Ihr wärt als Geisel ohne jeden Wert und dass ich mein Verhalten nicht davon beeinflussen lassen würde. Und hätte ich …«
    Erneut zuckte ich mit den Schultern und stellte erstaunt fest, dass mich selbst diese Bewegung in meinem

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