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1610 02 - Kinder des Hermes

1610 02 - Kinder des Hermes

Titel: 1610 02 - Kinder des Hermes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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schüttelte den Kopf.
    »Kaum hat Dari-oru mich gesehen, da hat sie mich um die Kleider einer Dienerin gebeten. Als Frau verkleidet ist sie dann mit mir hinausgegangen.«
    »Als Frau ›verkleidet‹?«
    Ich schnaufte. Ich stand kurz davor, in lautes Lachen auszubrechen, doch etwas schnürte mir die Kehle zu. Ein Mädchen als Junge verkleidet, verkleidet als Mädchen …
    »Aber … Sie ist doch vergewaltigt worden, oder?«
    Einen kurzen Augenblick lang gestattete ich mir die Hoffnung, dass sie das alles nur gespielt hatte. Wäre dem wirklich so gewesen, ich hätte vor Freude jubiliert.
    Der Schmerz in meinem Bein riss mich wieder in die Wirklichkeit zurück.
    Saburo grunzte: »Ich glaube, dass sie vergewaltigt worden ist. Sie hat Angst, ein Baby zu bekommen. Vielleicht hat sie auf dem Weg hierher aber auch schon geblutet – ich bin nicht sicher.«
    Unwillkürlich zuckte ich zusammen. Das alles klang mir viel zu sehr nach den typischen Hofgerüchten in St Germaine. Ich schluckte. Mein Mund war wie ausgetrocknet, und ich sagte etwas, das ich ohne die Schmerzen und die Wirkung des Branntweins niemals laut ausgesprochen hätte:
    »Wenn Ihr – teilweise zumindest – für so etwas verantwortlich wärt … Was würdet Ihr tun?«
    »Ich würde mich selbst töten.«
    Die Antwort kam so schnell und direkt, dass ich laut aufgelacht hätte, wären da nicht diese Schuldgefühle gewesen, die mir den Atem raubten. »Verzeiht, Messire, aber in Eurem Land scheint das die Antwort auf viele Dinge zu sein.«
    »Wie sonst sollte man sich für so etwas entschuldigen?«
    In Saburos Land werfen sich Männer mit Gleichmut in den Staub – es ist einfach so üblich –, und einen Augenblick lang wünschte ich, wir wären in Nihon gewesen. Dann hätte ich mich vor Dariole zu Boden werfen und sie um Verzeihung bitten können, und es wäre keinerlei perverse Lust im Spiel gewesen, nur echte Reue.
    »Ich … Ich will mich nicht einfach nur entschuldigen«, sagte ich. »Das würde nur mein Gewissen beruhigen, während sie …«
    Der Branntwein brannte in meinem Mund, als ich daran nippte, doch mein Kopf wurde klarer, als hätte der Alkohol keine Wirkung auf mich.
    Ich begann von Neuem: »Sie will, dass wir beide von hier verschwinden.«
    »Hai. Sie hat es mir auf dem Weg hierher gesagt. Ich werde aber nicht gehen. Giri.«
    Den Branntwein mochte ich ja nicht spüren, aber den Schmerz. »Aber wenn sie hier bleibt, inmitten der Verschwörung dieses Wahnsinnigen, und auf Fludd wartet …«
    Saburo hob den Kopf. Eine Hand lag auf dem Heft seiner gekrümmten Klinge.
    Schritte ertönten vor der Tür, und kurz darauf erschien Edward Alleyne. Sein Bart und sein Haar leuchteten rot.
    »Habt Ihr Euch schon wieder duelliert, Master Rochefort?« Alleyne warf mir ein wildes Grinsen zu, in dem auch Erleichterung darüber zu erkennen war, dass sein ›Theaterdirektor‹ noch unter den Lebenden weilte. »Master Field hat mir erzählt, dass Ihr verletzt seid. Catso! Darf ich fragen, wie der andere Mann aussieht?«
    »Nein.«
    Alleyne hob die struppigen Augenbrauen ob meiner scheinbaren Verärgerung. Höflich nickte er in Richtung Saburo und sagte ein wenig nervös: »Ja, dann … Wenn es Euch wieder besser geht, Master Rochefort … Dann ist ja alles in Ordnung, nehme ich an. Wenn Ihr bereit seid, könnte ich wohl Eure Hilfe in Anspruch nehmen? Es gibt da einen Streit zwischen den Zimmerleuten, was die Maschinerie für das Maskenspiel betrifft. Sie haben aufgehört zu arbeiten. Das ist genau die Art von Problem, die für gewöhnlich Master Henslowe gelöst hätte …«
    Wie Alleyne so bedauerte auch ich das Fehlen von Philip Henslowe, Alleynes Partner und Direktor von The Rose, der genug Verstand besessen hatte, Fludds Schmeicheleien zu widerstehen und in Southwark zu bleiben, wo er sich sein Geld mit der Bärenhatz verdiente. Auch ich, so überlegte ich, wäre mit der Bärenhatz wohl besser dran als mit dem, was mir bevorstand.
    Ich seufzte. »Ich werde dort sein, Monsieur. Nur einen Moment noch, bitte.«
    Er schloss die Tür hinter sich, und seine Schritte verhallten auf der Treppe.
    Der Schmerz in meinem Bein nahm zu. Ich widerstand dem Drang, über den Verband zu reiben, und griff nach dem Gehstock, den der alte Field mir gebracht hatte. Er habe seinem Großvater gehört, hatte er mir gesagt, ein kräftiges Ding aus Ebenholz und mit silbernem Knauf – nicht unähnlich dem von Minister Cecil.
    Ich stützte mich auf den Stuhllehnen ab und wuchtete mich

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