1610 02 - Kinder des Hermes
Towers.« James sprach mit kräftiger Stimme; der Erfolg brachte das Beste in ihm zum Vorschein. Er winkte dem Mann aufzustehen, ergriff die leicht schmuddelige Hand, die der ihm reichte, und fügte fast beiläufig hinzu: »Führt diese Milizen in den Tower, und bewaffnet sie. Sie sind unsere Verteidigung gegen die Gefahr, die uns durch Verrat droht.«
»Jawohl, Euer Majestät!«
Der Schatten des Torbogens fühlte sich angenehm an, als ich darunter herging. Der Hufschlag von James' Pferd hallte von den Mauern wider. Dann trabte es über die Zugbrücke, und die Sonne strahlte wieder hell. Hinter uns waren die Stimmen der Miliz zu hören.
Einmal am Torturm vorbei und innerhalb der Mauern gestattete James Stuart, dass man ihm aus dem Sattel half. Er legte die Hand auf Monsieur Saburos Schulter, aber ob nun in Freundschaft oder zum Schutz, das vermochte ich nicht zu sagen.
»Richtet die Geschütze auf den Mauern aus, Lieutenant«, befahl er. »Sie sollen die Straßen von Westminster und Whitehall abdecken sowie jegliche Annäherung vom Fluss her verhindern.«
»Alles soll so geschehen, wie Eure Majestät befiehlt.« William Waad, ein Mann mittleren Alters, der an den Schläfen bereits ergraute, sank wieder auf die Knie. Dass er nun erst einmal seine wohlverdiente Ernte einfuhr, konnte ich ihm nicht zum Vorwurf machen. Nicht mehr lange, und viele Männer werden sich wünschen, dort zu sein, wo er jetzt ist.
Der Himmel war strahlendblau. Möwen kreischten über dem Fluss. Der Schatten der tausend Jahre alten Steinmauern war kalt, eine willkommene Abwechslung in dieser Hitze. Ich fühlte die Stärke dieser Mauern – wie ohne Zweifel auch viele der Männer, die uns durchs Tor folgten.
»Ihr dürft Uns jetzt in angemessene Quartiere führen«, sagte James zu dem Lieutenant des Towers. »Sind diese üblen Gestalten, Raleigh und Northumberland, noch hier?«
»Nein, Sire, der König … der Prinz, meine ich … hat Befehl zu ihrer Freilassung erteilt. Der Befehl war mit dem königlichen Siegel versehen, Euer Majestät. Ich dachte …«
»Ja ja ja, kümmert Euch nicht weiter darum.« James wischte die Rechtfertigungen des Lieutenant beiseite, woraufhin Waad (inzwischen weiß geworden, weil er so rasch vom Helden zum Verräter geworden war) erleichtert seufzte.
Saburo atmete tief durch, rollte mit den Schultern und verschaffte sich so ein wenig Platz in der Menge. Dann fiel er auf die Knie, drückte vor James die Stirn in den Staub und setzte sich dann auf die Fersen.
»Es darf hier nicht zum Schusswechsel kommen. Das ist nicht gut. Iago-sama, ich bin der Gesandte Nihons. Ich stelle keine Bedrohung für diese Männer und den Prinzen dar. Wenn Ihr es mir gestattet, König-Kaiser, werde ich Euer Bote sein. Euer Gesandter. Das Gleiche habe ich für meinen Herrn Kobayakawa Hideaki und den Shogun getan, Tokugawa Ieyasu.«
Auch wenn die nihonesischen Namen schwer für mich zu verstehen waren, erinnerte ich mich daran, dass Monsieur Saburo den einen davon früher schon einmal als seinen Gönner erwähnt hatte. Ich beschloss, ihn später danach zu fragen.
Die ungewöhnliche Intelligenz, auf die man manchmal einen Blick erhaschte, funkelte in James' Augen. »Aye. Das ist eine gute Idee. Kommt mit Uns. Wir werden Euch sagen, was Ihr Unserem rebellischen Sohn und dem Earl übermitteln sollt.«
James rauschte davon. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er noch etwas zu mir sagte; meine offizielle Rolle war für diesen Tag beendet. Zu meiner Belustigung sah ich, dass Mademoiselle Dariole innerlich kochte, als die Menschenmenge sich von uns wegbewegte und den König förmlich mit sich trug. Das war verständlich. Schließlich hatten sie sich entschlossen, entweder mit ihm zu schwimmen oder unterzugehen.
»Die Dankbarkeit der Könige«, bemerkte ich.
Dariole funkelte mich an. »Ist sie besser als die des Herzogs?«
»Ihr habt so eine Angewohnheit, Eure Wut an demjenigen auszulassen, der Euch gerade am nächsten steht, Mademoiselle. Das ist ganz und gar nicht charmant!«
Ich machte Fingerübungen für den Fall, dass ich mich in den nächsten Sekunden in einem Duell wiederfinden würde.
Dariole nahm die Hände hinter den Rücken, blickte auf ihre Stiefel hinunter und dann zu mir. »Es tut mir Leid, Messire.«
Ich durfte sie nicht wissen lassen, dass meine Verteidigung augenblicklich in sich zusammenbrach – immerhin war sie eine Frau, und Frauen nutzen jede Schwäche schamlos aus. Dennoch konnte ich nicht anders: Ich
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