1610 02 - Kinder des Hermes
den Kamin. Vorsichtig zog ich ein halb verbranntes Stück Papier heraus. Irgendetwas stand in Fludds seltsamen, mathematischen Symbolen darauf geschrieben. Ich konnte es nicht lesen, und es zerfiel in meinen Händen.
»Ich nehme an, er wusste, dass das geschehen würde.« Dariole nickte in Richtung der Bücher, die verstreut im Garten lagen. »In ihnen findet sich gar nichts Geschriebenes – jedenfalls nichts in seiner Handschrift wie das, was Ihr da in der Hand habt. Das war schon verbrannt, lange bevor wir hierher gekommen sind.«
Ich wusste nicht recht, ob ich wütend war, oder einfach nur erstaunt. Ich stand wieder auf und sagte: »Ihr seid also wirklich dafür verantwortlich. Warum?«
Dariole hatte die Finger in den Wehrgurt geschoben, als traue sie dem Mob nicht, obwohl dieser schon längst weitergezogen war. Ich zog ihre Hand aus dem Gürtel.
Sie wich zurück.
»Ich dachte …« Sie neigte den Kopf zur Seite und blickte zu mir hinauf. »Ich dachte, ich stelle sicher, dass Fludd hier nichts mehr hat, wohin es sich lohnt zurückzukehren. Aber wie auch immer, alles Wichtige ist sowieso weg.«
Das Sonnenlicht, das durch die zerbrochenen Fenster fiel, ließ mich deutlich ihr mit Asche verschmiertes Gesicht erkennen.
»Ich dachte, ich könnte ihm irgendwie wehtun.«
»Mademoiselle …«
»Und wisst Ihr was?« Dariole wischte sich mit der Hand über den Mund. »Das ist einfach nur … armselig. Sinnlos. Ihn muss ich …«
Sie bahnte sich einen Weg zwischen dem zerstörten Mobiliar hindurch zur Tür.
Meine Stiefel traten auf Glas, als ich ihr folgte.
»Und erzählt mir nichts von Rache. Ihr habt verdammt lange versucht, mich umzubringen, schon vergessen, Rochefort?«
»Ich bin nicht gerade das beste Vorbild für Euch.«
Sie zuckte mit den Schultern. Draußen im Garten sah ich im Licht der Sonne, dass ein Mann, der im Gegensatz zum Rest des Mobs offenbar des Schreibens mächtig war, ›Hexer‹ auf das Podest der Sonnenuhr geschmiert hatte. Ich blieb nicht stehen, um nachzusehen, was er als Schreibmaterial verwendet hatte. Man läuft leicht Gefahr, die Wut des Mobs zu erregen – viele Gruppierungen in Paris konnten ein Lied davon singen.
Dariole stapfte über die gesammelten Weisheiten von Paracelsus, Bruno und Dee hinweg, und vereinzelt blieben Seiten an ihren Stiefeln kleben. Im Kies streifte sie sie ab. Ich trat die zerbrochenen Überreste des Eichentors beiseite. Kurz darauf gesellte sich Dariole auf der Straße zu mir.
»Was er Euch angetan hat«, sagte ich leise, »lässt sich mit nichts vergleichen. Mademoiselle, Ihr wisst, wenn ich ihn Euch übergeben und ihn für die Königin aufheben könnte, ich würde es tun!«
Ihre Lippen bewegten sich, und auch wenn es klein, unsicher und reumütig war, es war zumindest ein Lächeln.
»Ihr wisst nicht, wie das ist, Messire.« Sie schaute zu mir hinauf. »Wir sollten jetzt besser gehen. Sie brauchen Euch für den Marsch zum Whitehall-Palast. Dann werden wir ja sehen, wie viel Unterstützung Prinz Heinrich hat, wenn sein Vater über die Straße geritten kommt. Der alte Mann tut mir allerdings auch ein wenig Leid – dieses Schwein von Sohn wird er behalten.«
Als wir die Menge wieder erreichten, war die Luft von Geschrei erfüllt. Kinder rannten umher, während sich immer mehr Milizionäre in den Straßen sammelten. Schließlich erreichten wir ›The Rose‹, und ich sprach laut aus, was ich dachte: »Heute ist jeder Ladenbesitzer, der irgendwann mal mit einer Pike geübt hat, auf der Straße und glaubt, in einen richtigen Krieg zu ziehen.«
»Catso!« Dariole grinste schief. »Ich hoffe nicht! Schaut mal dort drüben …«
Ein Trupp, der sich unter einer Standarte versammelt hatte, trug nicht eine einzige Pike oder Muskete. Was die Männer in den Händen hielten, waren walisische Langbögen.
»Gütiger Gott im Himmel!«
»Da habt Ihr wohl Recht«, sagte Dariole plötzlich wieder ernst. »Wenn diese Leute sterben, dann ist Fludd auch daran schuld.«
Als wir das Theatertor erreichten, wurde ein Lied angestimmt. Alleyne stand auf einem Podest am Tor und dirigierte James' lautstärkste Sympathisanten in einem Choral, dessen Worte ich nicht verstehen konnte. Doch ich nahm an, das Lied sollte die Moral heben. Saburos Gewand machte es mir leicht, ihn in der Menge zu entdecken. Er stand neben einem grauen Pferd aus irgendeinem Stall in Southwark. James Stuart ließ sich von einem halben Dutzend Händen in den Sattel helfen.
Ich nahm den Zügel von dem
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