1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist
Menschen in Frankreich gibt, den König und Königin nicht kümmern, dann habe ich das Vergnügen, mit ihm zu reiten, dachte ich grimmig.
Ich bog nach Westen ab, wo der Weg uns an Bauernhöfen vorbeiführte. Die Bauern traten vor die Tür und schauten uns nach, sprachen uns aber nicht an. Dennoch war offensichtlich, dass sie darauf hofften, irgendjemand würde ihnen erklären, was fünfzehn Meilen südlich, in Paris, vor sich ging. Wie auch immer, die Erfahrung sagte mir, dass selbst hier auf dem Land viel zu viele Menschen unterwegs waren, als dass ich jemanden unauffällig hätte umbringen können.
Wie weit nach Westen müssen wir noch, bis ich wieder Richtung Rouen abbiegen kann?
Die Pferde behielten jenen unermüdlichen Schritt bei, von dem ich wusste, dass sie ihn für dreißig Meilen am Tag durchhalten konnten. Wir überquerten eine Brücke und kamen an einem Kloster vorbei, und die ganze Zeit über sang der junge Mann an meiner Seite Trinklieder, wie man sie in Les Halles ständig hört – Lieder, die an einem Abend wie diesem besonders schmutzig wirkten, da die untergehende Sonne den Staub blutrot leuchten ließ, und unangemessen fröhlich in einem Land, das soeben seines Königs und Vaters beraubt worden war. Ich wusste nicht, wie lange wir noch so tun konnten, als hätten wir auf unserer Reise nichts von dem Attentat gehört.
Man muss verstehen, dass ich zu jener Zeit geglaubt habe, mich nur darum sorgen zu müssen, für die Ermordung Heinrichs IV. von Frankreich gehängt oder gerädert zu werden. Das hielt ich jedoch nicht für sehr wahrscheinlich. Es schien mir durchaus möglich, meinen Verfolgern zu entkommen – besonders wenn Maria di Medici es für zwingend notwendig erachtete, mich im Geheimen umzubringen.
Ich ritt nach Norden, um eine Verabredung einzuhalten, von der ich gar nichts wusste.
Ich wachte mit steifem Schwanz auf.
Kurz wusste ich nicht warum. Ich war tief in einen Albtraum versunken gewesen beziehungsweise hatte mich halbwach erinnert: die Porte St Honoré in Paris und die Schweizer und Savoyer Soldaten davor. In meinem Traum hatten sie mich diesmal nicht durchgelassen, sondern ins Chatelet gebracht. Das war nun wahrlich nichts, was einem Mann einen steifen Schwanz bescheren konnte.
Ich öffnete die Augen, sah jedoch nicht die Mauern und das Fallgatter des Stadttores, sondern das graue Licht der Morgendämmerung, das durch die Fenster eines Landgasthofs fiel – eines Gasthofs, der kaum groß genug war, sich als solcher zu bezeichnen, doch er war voll belegt mit Reisenden: Ein Mönch, ein wohlhabender Bauer und der Schreiber eines Advokaten teilten sich das Bett mit Monsieur Dariole und mir – mit Monsieur Dariole, den ich nicht ohne Zeugen hatte in die Finger bekommen können und der nun tief und fest schlief, als könne nichts auf der Welt ihn erschüttern.
Ich hatte wohl geglaubt, ich könnte die Erinnerungen an das, was er mir im Stall angetan hatte, vergessen und so die damit verbundenen Gefühle verdrängen: Schmerz, Wut, Scham.
Der junge Mann lag unmittelbar neben mir, ein farbloser Klumpen unter der Decke. Es war so eng in dem Bett, dass er seinen Hintern gegen meinen Bauch gedrückt hatte. Und hart auf meinem Bauch spürte ich mein steifes Fleisch.
Da es für eine Mainacht ungewöhnlich kalt gewesen war und der Wirt weder Feuer gemacht noch genügend Decken verteilt hatte, hatten wir nur Stiefel, Kragen und Waffen abgelegt. Es war nicht das nackte Fleisch des Jungen, das gegen mich drückte. Ich spürte die Wärme und Festigkeit seines Arsches durch den Samt seiner Hose.
Scham und Angst trieben mir den Schweiß auf die Stirn. Aus Furcht, ihn zu wecken, wagte ich nicht, mich zu bewegen. Sollte er aufwachen, würde er mich gnadenlos verspotten.
Es ist nichts. Nichts weiter als menschliche Wärme. Vermutlich habe ich auch von einer Frau geträumt. Es ist nichts …
Ich bekam es einfach nicht aus dem Kopf. Der Stall: wie ich unter ihm gefangen war, seine Hand in meinem Schritt, und wie mein ganzer Leib sich hilflos nicht mehr hatte rühren können … außer meinem Schwanz. Und dann seine Drohung, mich bloßzustellen, mich nackt dem öffentlichen Spott auszusetzen …
Mein Fleisch schmerzte und drückte gegen das Leinen meiner Hose. Hätte ich gekonnt, ich hätte über mich selbst gelacht; was herauskam, war jedoch mehr ein Schluchzen. Seit meinem zwölften Lebensjahr hatte ich nicht mehr in meine Hose gespritzt … und hier liege ich nun, stehe kurz davor
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