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1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist

1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist

Titel: 1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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plötzlich kalt wie Eis. Ich war beobachtet worden, und ich hatte es nicht gemerkt … Aber wie? Fludd war kein Franzose. Sollte er der Agent der Medici hier sein, wie war er dann an Informationen darüber gelangt, wann und wo ich in London landen würde, wo ich das doch noch nicht einmal selbst gewusst hatte?
    Ich schwieg. Das Schlimmstmögliche war also geschehen – nun gut. Wenn ein Mann nicht spricht, kann auch niemand Schlüsse aus seinen Worten ziehen. Man bekommt allerdings Angst davor, was sie tun werden, um einem die Zunge zu lösen.
    Ich war schon bei vielen Verhören dabei gewesen. Ich lächelte schief, schwitzte, und meine Eier pochten noch immer. Vielleicht war das alles nur gerecht.
    »Kommt mit mir«, forderte Fludd mich auf.
    Cecil, dachte ich. Korrekte Informationen über das Attentat waren womöglich schon vor einer Woche in London eingetroffen. Vielleicht gehörte dieser Fludd zu Cecils Männern. Nein. Dazu ist er viel zu sehr Alchemist und Scharlatan.
    Er packte mich am Arm. Das erschreckte mich. Dass er sich so nah an einen Mann heranwagte, dem er gerade erst Schmerzen zugefügt hatte … Er zog mich hinter sich her. Der Schmerz ließ im Gehen nach, dennoch musste ich darauf achten, nicht zu stolpern.
    »Ihr seid von Natur aus misstrauisch.« Fludd klang keinesfalls betrübt. »Ich denke, Mistress Lanier irrt sich, wenn sie Euch als dumm bezeichnet; doch was manche Dinge betrifft, seid Ihr schlicht unwissend.«
    Wir gingen einige Schritte bis zu der Sonnenuhr und den Marmorplatten, auf denen sie stand. Möwen kreischten über dem Fluss jenseits der Ziegelmauer.
    »Ich bin in der Tat unwissend, was die Kunst betrifft, den Dummen das Geld aus der Tasche zu leiern, indem man komische Linien auf eine Sternenkarte malt«, bemerkte ich trocken.
    »Unwissenheit ist keine Schande, wenn man keine Gelegenheit gehabt hat zu lernen.« Fludd blieb neben der Sonnenuhr stehen und blinzelte in den blauen Himmel hinauf. »Ihr habt sicherlich nicht das Werk von Regiomontanus gelesen, besonders sein De triangilis , das sich mit sphärischer Trigonometrie beschäftigt. Auch bezweifele ich, dass Ihr den Bischof Nikolaus von Oresme kennt, den ich vorhin zitiert habe, und damit auch nicht die Hinweise auf vierdimensionale Geometrie in seinem Werk . Um genau zu sehen, was geschehen muss, um die korrekte Zukunft herbeizuführen, habe ich eine Reihe komplexer, astrologischer Berechnungen im vieldimensionalen – ja vielleicht unendlich dimensionalen Raum angestellt, wobei ich die unterschiedlichen Harmonien stellarer und planetarer Bewegungen in Betracht gezogen habe.«
    Ich zuckte unwillkürlich zusammen, als sich der Schmerz in meinen Lenden wieder bemerkbar machte. »Ich nehme es zurück. Ihr seid der bessere Sprücheklopfer, nicht Nostradamus …«
    Irrelevante Details präsentierten sich vor meinen Augen, wie es in solchen Augenblicken oft der Fall ist. Das Sonnenlicht warf ihren Schatten auf die Sonnenuhr. Es war kurz nach Mittag. Und in der Bronze war der verwitterte Text ME UMBRA REGIT VOS LUMEN zu lese. Der Schatten beherrscht mich, euch das Licht.
    Fludd lies meinen Arm los und strich mit dem Finger über die Buchstaben. Seine Stimme klang nachdenklich. »Es ist wahr, Monsieur de Cossé Brissac … Ihr werdet das Licht sein, das uns führt.«
    Sein Gesicht leuchtete mit der Intensität des Fanatikers. Ich blickte ihn so dumm an, wie ich konnte, in der Hoffnung, irgendwelche Hinweise aus den Worten zu erhalten, die er in seinem Enthusiasmus sprach.
    Fludd sagte: »Ich sehe weiter voraus als nur bis zum notwendigen Tod von James Stuart, und dieser ist notwendig, damit andere, lebenswichtige Dinge geschehen können.«
    Er legte die nackte Hand auf die warme Bronzeumrandung der Sonnenuhr.
    »Die alten Astrologen haben kommende Katastrophen aus dem Erscheinen von Kometen vorausgesagt. In einem halben Jahrtausend von nun an wird solch ein Komet kommen, und wenn er am Himmel erscheint, wird alles menschliche Leben und alle menschlichen Werke … ausgelöscht werden. Solch große Vernichtungen hat es auch früher schon gegeben. Wir sind eine neue Schöpfung Gottes. Vor uns hat er bereits andere durch die Macht der Kometen zerstört.«
    Wie gotteslästerlich ist es dann von dir, das verhindern zu wollen, dachte ich, sprach es aber nicht aus.
    »Nun hat man uns diesen Weg eröffnet, uns selbst zu helfen«, fuhr Fludd fort. »Was wir tun, hier und jetzt, wird die Zukunft verändern. Eure Rolle dabei ist es, König

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