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1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist

1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist

Titel: 1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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spürte, wie das Wehrgehänge durchschnitten wurde und zu Boden fiel.
    »Dies hier sind Master Hariot, Master Hues und Master Warner; alle drei Mathematiker Seiner Gnaden des Earl of Northumberland.« Fludd sprach in recht höflichem Tonfall, als er auf mich zu kam. »Und das sind die Diener des Earls: John …«, ein Nicken zu dem dunkleren der beiden Männer, »… und Luke.«
    Northumberland? Der sitzt doch sicherlich noch im Gefängnis!
    Es gelang mir, meine Überraschung zu verbergen.
    In England kennen selbst die einfachen Menschen den zweifelhaften Ruf von Henry Percy, dem Earl von Northumberland, den man nur den ›Hexergrafen‹ nennt. Ich selbst habe auch Grund, mich an ihn aus der Zeit zu erinnern, bevor er in den Tower gewandert ist. Mein Herr Sully hat ihn bei unserem letzten Besuch hier, im Jahre 1603, als Informanten angeworben – und zwar durch mich, der ich ihm eines Nachts eine außergewöhnlich großzügige Menge Gold gebracht habe, woraufhin der Earl seinen redseligen Sekretär mit mir zurückgeschickt hat, welchen der Herzog dann ausgesprochen erfolgreich hat ausfragen können.
    Ich ließ mir mein Wissen jedoch nicht anmerken. Der Earl of Northumberland war geradezu berüchtigt, zusammen mit einigen anderen wie Sir Walter Raleigh und Griffin Markham. Der Duc de Sully hatte sie als die aufrührerischsten Männer am englischen Hof betrachtet, und mehr noch: Er war überzeugt davon, dass sie auf ihre eigenen Ziele arbeiteten und nicht für Spanien oder die Niederlande. All diese Lords bestätigten Sullys Einschätzung, als man sie zwölf Monate später wegen Verschwörung gegen den König verhaftete, und obwohl James dann keinen von ihnen mehr hinrichten ließ, waren sie nicht mehr in der Position, sich gegen irgendwen zu verschwören.
    Wie oft bringt der Versuch einer Verschwörung die Großen zu Fall?, dachte ich. Aber trotzdem …
    Dieser Mann, Fludd, kennt meinen Namen und weiß von Ravaillac. Aber warum? Was weiß er sonst noch? Ob ich wohl herausfinden kann, von wem er das hat? Das könnte meine Chance sein. Vielleicht verrät er ja etwas.
    Ein Ruck an meinen Armen ließ mich zu Boden sinken. Das war der dunkelbärtige Mann mit Namen John, wie ich bemerkte, und ich leistete ihm keinen Widerstand. Gib den älteren Männern keinen Grund, Schwert und Dolch aus deiner Reichweite zu bringen.
    Ich ließ die beiden jüngeren Männer mir die Arme verdrehen und mich auf den Knien festhalten. Manchmal ist es besser, sich ergeben zu zeigen. Ich war über sechs Fuß groß; solch eine Größe kann einschüchternd, ja bedrohlich wirken, und mit ihrem Tun halfen die Männer mir nur, sie zu verbergen.
    Metall funkelte in der Sonne. Zwei ältere Männer hielten Pistolen in den Händen. Luntenwaffen statt der effektiveren Steinschlosspistolen … Aber wie auch immer: Die Kettenringe in meinem Wams werden mir auch nichts nützen, wenn einer dieser alten Mathematiker sich entschließen sollte, mir die Eingeweide aus dem Leib zu blasen.
    Unter dem Vorwand, mich benommen umzuschauen, fand ich heraus, dass wir uns im Garten eines Hauses am Fluss befanden. Die Mauern mit ihren nur knapp sechs, acht Fuß Höhe würden mich bei einer Flucht nicht behindern. Für einen so hellen Tag empfand ich es als ungewöhnlich, dass in dem Haus sämtliche Fensterläden geschlossen waren – falls denn überhaupt jemand dort wohnte. In jedem Fall sollte ich besser davon ausgehen, dass die Türen verriegelt waren.
    Fludd kam zu mir hinüber, schaute von oben zu mir hinunter und faltete die Hände vor der schwarzen Robe. Fludd trug Stiefel; sie waren unter dem Saum seines Gewandes zu sehen. Er verlagerte sein Gewicht. Ich bereitete mich vor. Würde, Selbstwertgefühl, Stolz: Mehr braucht ein Mann bei einem Verhör nicht. Deshalb sind das auch die Dinge, die der Verhörende ihm als erstes angreifen muss.
    Fludd trat zu, hart. Er trat mein rechtes Knie nach außen und verlagerte sein Gewicht erneut, um es mit dem linken genauso zu machen. Ich verlor das Gleichgewicht. Nur die Männer, die meine Arme gepackt hatten, hielten mich noch aufrecht.
    Ohne Freude oder Abscheu in seinem Gesicht, und bevor ich meine Beine wieder zusammenbringen konnte, trat Fludd mir zwischen die gespreizten Knie. Die Stiefelspitze traf mich genau in die Eier.
    Eine schreckliche Zeit lang war da nur Schmerz.
    Als ich wieder zur Besinnung kam, lag ich gekrümmt im Gras und hielt mir den Unterleib. Ich hatte das Gefühl, als hätte ich eine heiße

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