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1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist

1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist

Titel: 1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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genügen , um selbst den Blicken aufmerksamer Beobachter standzuhalten.
    Für einen englischen Schilling und einen englischen Sixpence würde ich ein Postpferd nach Rochester mieten können, was ein schöner, kleiner Hafen ist, der wohl nicht so aufmerksam beobachtet wird wie London oder Dover. Von meinem Besuch vor sechs Jahren erinnerte ich mich jedoch daran, dass die Einwohner von Rochester Franzosen gegenüber nicht gerade freundlich gesonnen waren. Damals hatten die englischen Soldaten sogar die Haustüren markiert, um uns zu zeigen, wo der Herzog und sein Gefolge essen und trinken konnten und wo nicht. Aber ich muss ja nicht als Franzose reisen.
    Inzwischen trieb mich die Ungeduld an. Aber falls Fludds Männer mich beobachteten, weil sie mit meiner schnellen Flucht rechnen. So blieb ich in dem Badehaus und nahm mir eine Frau, um nicht aufzufallen, doch der Tritt in meine Eier beeinträchtigte meine Leistungsfähigkeit gewaltig. Ich ließ die Frau glauben, ich sei deshalb wütend mit ihr, stürmte hinaus und warf ein paar englische Münzen auf den Boden.
    Die heiße Sonne brannte auf meinen Wangen. Obwohl es bereits weit nach Mittag war, waren bei vielen Häusern noch immer die Fensterläden verschlossen. Ein Hund trottete an mir vorbei – jedenfalls glaubte ich das, bis ich den orangefarbenen Pelz bemerkte und erkannte, dass es sich um einen Fuchs handelte. Dies wiederum deutete darauf hin, dass hier nur wenige Menschen lebten. Die Pest?, fragte ich mich. Es ist allerdings noch früh im Jahr. Ich wandte mich nach Süden, weg vom Fluss, und schickte mich an, jeden abzuschütteln, den Fludd hinter mir her geschickt hatte.
    Dann bog ich nach Osten ab und marschierte über die Straße von Long-Southwark, ohne die London Bridge auch nur eines Blickes zu würdigen, und durch die Vorstädte in Richtung Blackheath. Die Erde klebte unter meinen Füßen. Über mir wurde der Himmel klarer. Dunst bedeckte den Horizont. Erst als sich mein Atem wieder beruhigte, fiel mir auf, wie aufgeregt ich gewesen war, als ich an dem Viertel vorbeigekommen war, in dem sich Fludds Haus befand. Mein Umweg und die schmalen Gassen, durch die ich gegangen war, hatten wohl auch den hartnäckigsten Verfolger abgehängt, nahm ich an, und meine Erfahrung in solchen Dingen ist beachtlich.
    Ein paar Münzen mehr hätten diesem ›Fludd‹ auch nicht wehgetan. Dann hätte ich mir vielleicht sogar ein Pferd kaufen können … Ich lächelte reumütig und dachte mich in die Rolle hinein, die ich bei den Kapitänen in Greenwich spielen würde. Ich würde den niederländischen Deserteur geben, womit sich auch das Fehlen von Gepäck und eines Pferds erklären ließen. Dringend würde ich nach Skandinavien wollen oder vielleicht nach Polen …
    Ich blickte zur Sonne, um mich zu orientieren, und stellte fest, dass ich nur einmal links und einmal rechts abbiegen musste, um wieder auf die richtige Straße zu kommen. Ein Mann mit Schwert und Dolch ist selbst in wildem Heideland nicht wehrlos, doch als ich in eine ruhige Seitenstraße einbog, den Fluss zu meiner Linken, vermisste ich dennoch die beiden Steinschlosspistolen aus meiner Satteltasche.
    Obwohl es schon stimmt, dass Feuer ein Schwert nicht ersetzt …
    Plötzlich überkam mich die Erinnerung und schien zum Greifen nah: das Splittern des Feuersteins im Schloss und Darioles Lächeln im trüben Licht des Stalls in Paris.
    Sie werden nicht auf einem Friedhof sein! Monsieur Saburo hatte noch seinen Besuch bei Hof zu machen, und niemand würde ihn von der Erfüllung dieser Pflicht abhalten können. Und Mademoiselle Dariole … Die spielte vermutlich in irgendeiner Taverne mit gezinkten Würfeln.
    Ich kann nicht bleiben. Ich habe nicht die Zeit, halb London zu durchsuchen.
    Ein blinder Mann tastete sich mit einem Stock an den Häuserwänden entlang die Stufen von der Themse hinauf. Es war ein Veteran. Sein linkes Auge war mit schwarzem Leinenfaden zugenäht.
    »Almosen!« Er hob das blinde Gesicht. Er hörte meine Stiefel auf der Straße. »Geld, mein Herr oder meine Dame, für einen blinden Mann!«
    Wäre ich abergläubisch gewesen und hätte ich geglaubt, Monseigneur Gott würde mir die gute Tat vergelten, dann hätte ich ihm Geld gegeben. Auf meinen Reisen würde ich alles Glück brauchen, das ich bekommen konnte. Es missfällt mir jedoch, meine Börse auf einer öffentlichen Straße zu öffnen, besonders da Räuber und Diebe sich schon oft als Blinde oder Krüppel verkleidet haben.
    Ich schaute

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