1615 - Jaobouramas Opfergang
unbeschwert und wißbegierig hätten sein sollen. Ihr Riin wärt gar nicht in der Lage, eure Heimatwelt zu zerstören, wie das die Roach einst getan haben."
„Toll, grandios. Beau, du hast es auf den Punkt gebracht. He Leo, komm her zu uns, hast du das gehört? Tatsächlich wären wir Riin zu so etwas nie in der Lage. Leo...! Bist du beleidigt, weil dein Energiesparkonzept nicht mehr stimmt? Ist das so wichtig für dich? Leo!"
Er wandte sich hin und her und hielt nach Heleomesharan Ausschau. Aber der Arcoana befand sich nicht mehr hier. Er hatte die Felsenhallen verlassen und sich mit unbekanntem Ziel entfernt.
*
Zwischen zwei Sonnenläufen trieb es Jaobourama hinaus an die frische Luft. Jetzt war es nicht mehr hell genug, daß alle ihn erkannten, aber auch noch nicht so dunkel, daß er in die Irre ging.
Jaobourama besaß einen Sehfehler. Seine Augen empfingen nicht soviel Licht auf einen Augenblick, wie das bei allen seinen Artgenossen der Fall war. Daneben waren die untersten Glieder seines hinteren Armpaares und seines vorderen Beinpaares nicht von der Länge wie gewöhnlich bei den Arcoana. So gesehen handelte es sich bei dem jungen Wissenschaftler um ein Fehlprodukt der Klonanlagen von Thourshemon, und daran hätten auch Operationen nichts geändert.
Das Rätselhafte an Jaobouramas Gestalt jedoch bestand in der violetten Färbung seines Hinterleibs.
Was der Arcoana nicht verstand und nie begreifen würde, war die Tatsache, daß er von einem zuverlässigen Genetiker nach den Anweisungen der Eltern geschaffen worden war. Nachträgliche Überprüfungen des Programms hatten keine Abweichungen ergeben. Jaobourama war exakt nach dem vorgegebenen Schlüssel geklont worden, und doch gab es diese Abweichungen. Sie waren auch nicht aus Einflüssen von außen zu erklären.
Das Rätsel um seine körperlichen Gebrechen blieb. Die Eltern widmeten ihm mehr Zeit für die Erziehung und Ausbildung als üblich, und statt eines Ziehvaters erhielt er deren drei, sozusagen für jede der drei Abweichungen einen.
Die äußeren Unterschiede trennten Jaobourama von allen seinen Artgenossen, und er gehörte zu den wenigen Wissenschaftlern, die sich nicht an einem der vielen Planetenforming-Projekte beteiligten. Er wurde nicht gefragt und war selbst zu bescheiden, als daß er sich aufgedrängt hätte.
So gesehen, stellte Jaobourama das krasse Gegenteil zu den Riin dar. Er lebte in der Abgeschiedenheit seiner Netzklause zwischen den steil aufragenden Felshängen unweit der Felsenhallen von Pershena und hatte es deshalb nicht weit gehabt bis zum Ort der Konferenz. Aus der Deckung eines steinernen Vorsprungs heraus hatte er den Worten gelauscht und seine Schlüsse daraus gezogen.
Jaobourama empfand inneres Unbehagen bei dem Gedanken daran, daß dauernd Riin bei ihm erscheinen würden, um ihn Dinge zu fragen, die er für sich behalten wollte. Sie würden ihn in seinem abweichenden Körper sehen, und das verursachte dem Arcoana schon im voraus Schmerzen. Er wollte keine Riin in seiner Behausung haben. Und doch mußte er sich damit abfinden, daß sie kamen und ihn bedrängten.
Jaobourama wollte es tapfer ertragen.
Ein anderer Gedanke drängte in sein Bewußtsein und ließ ihn das Unerträgliche seiner Situation noch deutlicher erkennen. Er war der einzige Arcoana, der die Riin ablehnte. Alle anderen begeisterten sich für die Fremden, die so unerwartet wie ein Geschenk des Arcoa erschienen waren.
Jaobourama erklomm den Pfad, den er immer am achtundzwanzigsten Abend nach dem kalten Regen nahm. Er erreichte die Ebene über dem Pershena-Tal und ließ seine Augen über die dämmerige Landschaft schweifen. Seine Beine begannen zu zucken, als er die Bewegung zwischen den Netzgespinsten wahrnahm. Es war also soweit, und er versteifte sich und verharrte reglos.
Erst dann erkannte er, daß es sich nicht um Riin, sondern um einen Artgenossen handelte, der ihn erspäht hatte und sich näherte. Er brachte einen Geruch mit, der Jaobourama völlig durcheinanderbrachte. „Heleomesharan!" sang er voller Inbrunst. „Kann ich etwas für dich tun? Was ist geschehen?"
„Ich weiß es nicht", klang es ihm matt entgegen. „Selbst die frische Luft scheint mir zu schaden.
Ich bin krank, Jaobourama. Hilf mir!"
Der Außenseiter schnellte sich nach vorn. Es gelang ihm gerade noch, den Körper des Patrons mit seinem eigenen abzufangen und Heleomesharan sanft zu Boden gleiten zu lassen. Dieser hatte das Bewußtsein verloren.
Fassungslos
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