1620 - Vorleser des Teufels
So war er auch außerhalb seines Kreises bekannt, und so etwas konnte ihm nicht gefallen.
Und trotzdem blieb er der Mann mit der weichen und zugleich volltönenden Stimme. Er begrüßte jeden Gast einzeln, während hinter ihm an Bord seine beiden Helfer standen. Männer aus der Karibik, die dunkelhäutig waren wie er und auf deren Köpfen auch keine Haare wuchsen.
Es gab bei den Zuhörerinnen nicht nur eine Altersklasse. Praktisch alle Jahrgänge waren vertreten. Von der Dreißig- bis zur Sechzigjährigen.
Sie alle wollten ihn hören und dem Klang seiner einmaligen Stimme lauschen.
Zwölf Einladungen hatte es gegeben. Zwei fielen leider aus, und so waren es nur zehn Personen, die das Boot betraten. Eine traf noch als Nachzüglerin ein.
Eine kleine rundliche Person mit grauen Lockenhaaren, die außer Atem war.
»Entschuldigung, Mr. Karu, ich wurde noch aufgehalten.«
»Aber das macht doch nichts, Madam. Dass Sie trotzdem gekommen sind, freut mich besonders.«
»Ja, es ist auch ein exponierter Ort diesmal.« Sie hob einen Zeigefinger.
»Besonders exponiert.«
»Da sagen Sie was.«
Karu begleitete seinen letzten Gast bis aufs Deck und gab den beiden Matrosen das Zeichen, die Leinen zu lösen.
Sie machten es geschickt und begaben sich danach auf ihre Plätze.
Einer von ihnen besaß ein Patent, um das Boot lenken zu können. Das Ruderhaus befand sich am Heck.
Auf dem Gesicht des Mannes, in dem einige Narben zu sehen waren, malte sich ein Lächeln ab. Er war eingeweiht worden und wusste, dass dies eine besondere Reise werden würde,…
***
Auch wir waren unterwegs, standen an Deck und ließen uns den Wind in den Rücken wehen, der ausnahmsweise mal von Osten kam, während wir in westliche Richtung fuhren.
Wir konnten einen Großteil der Stadt mal aus einer anderen Perspektive betrachten. Wir sahen die Lichter, die schon blinkten, obwohl es noch nicht richtig dunkel geworden war, und wir würden auch unter zahlreichen Brücken hindurch fahren.
Noch hielten wir uns recht gelassen am Heck auf, denn es würde noch dauern, bis wir unser Ziel erreicht hatten. Die Besatzung ließ uns in Ruhe, und so konnten wir uns innerlich auf die Begegnung mit Karu einstellen.
»Du hast ihn ja gesehen, John. Was kannst du über ihn sagen? Ist er ein Mensch oder ein Zombie?«
Ich sagte erst mal nichts, weil ich nachdenken musste. Schließlich antwortete ich Suko.
»Ich habe sogar mal daran gedacht, dass er ein Zombie sein könnte. Das trifft aber nicht zu. Er ist ein Mensch, aber einer mit einer besonderen Begabung. Er schafft es, Menschen in seinen Bann zu ziehen, und das macht ihn gefährlich. Die Frauen werden gefügig, ihm sogar hörig.«
Suko blies die Luft aus. »Und das schafft er nur durch seine Stimme?«
»Und durch den Text im Buch, den ich auf der CD gehört habe. Ich nehme an, dass er aus Beschwörungen und Zaubersprüchen besteht, die wir der Macht des Voodoo zuordnen müssen. Nur bin ich da kein Fachmann.«
»Und ich auch nicht.« Wir legten eine Schweigepause ein, die von Suko unterbrochen wurde. »Hast du denn herausgefunden, was er mit den Frauen vorhat, denen er seine Beschwörungen vorliest?«
»Nein, aber ich glaube nicht, dass er sich damit zufrieden gibt, sie nur in seinen Bann zu ziehen. Ich denke, da kommt es noch zu einem Kracher, den wir verhindern müssen.«
Mehr fiel mir zu diesem Fall im Moment nicht ein. Es hatte auch keinen Sinn, wenn wir hier große Theorien wälzten, die Praxis würde zeigen, wie es weiterging.
Die Wandsworth Bridge hatten wir bereits hinter uns gelassen. Vor uns lag noch die Putney Bridge, die wir ebenfalls unter fahren mussten.
Bevor wir die nächste erreichten, würden wir am Ziel sein, das von uns aus gesehen auf der linken Flussseite lag. Noch sahen wir die Hausfronten und die zahlreichen Lichter, die inzwischen funkelten, doch diese Helligkeit würde bald weniger werden, wenn wir die große Grünfläche mit den Seen erreichten.
Ich stellte zudem fest, dass die Anspannung in mir stieg. Der Ausflugsverkehr hatte stark nachgelassen. Auf diesem Teil der Themse sahen wir um diese Uhrzeit kein Boot mehr, das Passagiere transportiert hätte. Auch der normale Schiffsverkehr hatte nachgelassen, und irgendwelche Vergnügungsfahrten in die Dunkelheit der Nacht fanden erst später im Jahr statt, wenn die Temperaturen in sommerliche Höhen gestiegen waren und es sich lohnte, eine Fahrt zu unternehmen.
Auch die Mitglieder der Besatzung waren wachsamer geworden. Ein Mann,
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