1623 - Der Zombie-Rabe
weiterzutragen. In dieser Welt sehe ich nichts mehr, aber in denen, die euch verschlossen bleiben, kann ich sehr gut hineinschauen.«
Urs Hoffmann und Mario Montini hatten jedes Wort genau verstanden.
Sie wusste nur nicht, was sie damit anfangen sollten. Für sie war alles völlig fremd, und keiner von ihnen wusste, wie es nun weitergehen sollte.
»Ihr gehört jetzt zu den Wissenden, meine Freunde. Ihr werdet nichts von dem vergessen, was ihr hier erlebt habt. Ich lebe nicht ewig und habe mir Menschen ausgesucht, mit denen ich mein Geheimnis teile. Es sollten vier werden. Zwei leben nicht mehr. Der eine wurde erschossen, der andere wollte aussteigen…«
Die letzten Worte trafen die beiden abermals wie ein Schock. Erst jetzt wurde es ihnen bewusst, was das zu bedeuten hatte, und wieder war es Mario Montini, der nicht an sich halten konnte.
»Was ist mit unserem Freund Todd Hayes geschehen?«, flüsterte er.
»Warum sagst du, dass er tot ist?«
»Weil es stimmt!«
Mario stöhnte auf. Er sah seinen Freund Urs an, der Mühe hatte, sich zu beherrschen. Der sagte nichts, sondern überließ Mario weiterhin das Wort.
»Und wie ist Todd gestorben?«
Der Blinde kicherte, was sich für die beiden Männer widerlich anhörte.
Dann streckte Fabricius die Arme in die Höhe und sagte mit leiser und trotzdem gut zu verstehender Stimme: »Sie haben ihn zerhackt…«
***
Die beiden Bergsteiger waren völlig konsterniert. Sie konnten diese ungeheure Behauptung nicht fassen.
Sie wurden blass.
Zerhackt!
Dieses eine Wort jagte durch Urs Hoffmanns Kopf. Vögel, die ihren Freund zerhackt hatten. Konnte das sein? Durfte das überhaupt sein? Er konnte und wollte es nicht glauben. Das war eigentlich nicht möglich.
Vögel zerhackten oder töteten keine Menschen. So etwas kam höchstens in einem Film vor, aber nicht in der Wirklichkeit.
Oder doch?
Warum hätte Fabricius sie anlügen sollen? Was gab es da für einen Grund? Eigentlich keinen. Die Welt war sowieso auf den Kopf gestellt worden, denn was er hier gesehen und auch gehört hatte, das war nicht zu erklären.
Und jetzt hatten sie diese neue und auch grausame Wahrheit erfahren.
Ihr Freund war durch die Raben getötet worden, und das hatten sie nicht grundlos getan. Zu einer solchen Tat mussten sie angestiftet worden sein. Durch den Raben oder durch Fabricius?
Hoffmann konnte es sich nicht vorstellen. Aber er wollte es auch nicht ausschließen. Er hatte plötzlich das Gefühl, Sand in seinem Mund zu spüren. Und auch seine Stimme hörte sich rau an, als er es endlich schaffte, eine Frage zu stellen.
»Warum musste Todd sterben? Warum?«
»Oh, er wollte nicht mehr mitmachen. Er hat mir nicht geglaubt. Als ich ihn einlud, habe ich ihm mehr erzählt als euch. Er hat mich für einen Irren gehalten und an allem gezweifelt. Er wollte nicht glauben, dass es eine Totenwelt gibt. Ich habe versucht, ihn zu überzeugen, aber er stellte sich voll und ganz gegen mich. Und er wollte mich sogar in eine Anstalt einweisen lassen, um mich untersuchen zu lassen. Da haben mir die Raben dann geholfen.«
Auch Mario stöhnte auf. »Und sie haben unseren Freund Todd Hayes brutal getötet.«
»Ja, das mussten sie. Eben auf ihre Weise. Sie haben nun mal nur ihre Schnäbel als Waffen.« Fabricius schüttelte den Kopf, um dieses Thema zu beenden. »Ich brauche Nachfolger, denn ich will das Band zwischen den Welten nicht abreißen lassen, und nur deshalb habe ich euch ausgesucht und dafür gesorgt, dass es zwischen uns zu dieser Verbindung kam. Setzt sie nicht unnötig aufs Spiel. Lasst euch in die Geheimnisse einweihen. Ich will nicht, dass die Verbindung abreißt. Ihr könnt euer Leben normal weiterführen, aber richtet euch darauf ein, mich irgendwann mal zu ersetzen. In euch steckt jetzt schon ein Großteil des Wissens, dem sich Todd Hayes widersetzt hat.«
Jetzt wussten Urs und Mario Bescheid. Beide waren Männer, die sich so leicht vor nichts fürchteten. Was ihnen jetzt gesagt worden war, das warf sie völlig aus der Bahn.
»Todd ist tot«, flüsterte Urs.
»Ja, und er war nicht nur unser Freund. Wir konnten uns blind aufeinander verlassen. Einer war für den anderen da. Wir haben die extremsten Touren hinter uns, da konnten und mussten wir uns aufeinander verlassen. Wir haben uns gegenseitig geholfen und das Leben gerettet. Wir waren vier Musketiere, und uns hat es schwer getroffen, dass Michael Norton bei einem Einsatz starb…«
»Ihm geht es gut.«
»Ha, und das weißt
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