1623 - Der Zombie-Rabe
du?«
»Ja, ich habe seiner Mutter sogar eine Nachricht zukommen lassen. Vergesst nicht, dass meine Raben Kontakt mit der Totenwelt haben.«
»Und sie hat alles geglaubt?«
»Ich denke schon.«
Urs schüttelte den Kopf. Er hatte Mühe, die Beherrschung zu bewahren.
Was er und Mario in den vergangenen Minuten erfahren hatten, war einfach ungeheuerlich. Wenn es nach Fabricius ging, sollten sie ihr Leben ändern, aber dazu waren beide nicht bereit.
Jetzt hatte sich auch Mario Montini überwunden und fragte: »Was ist, wenn wir uns weigern?«
Der Blinde lachte. »Das wollt ihr wirklich?«
»Ich habe nur gefragt!«
Der Blinde hob die Schultern, bevor er seine Arme ausbreitete. Dann hob er eine Hand, und erneut streckte er die Finger aus, um zum Himmel zu zeigen.
Nicht unbedingt hoch über ihnen kreiste der Schwärm der Raben. Es schienen sogar mehr geworden zu sein, und ihr Schwärm erinnerte schon an eine bedrohliche Wolke.
»Ich werde euch die Antwort gern geben, Freunde. Es gibt keine Alternative für euch. Solltet ihr euch weigern, werden euch meine Freunde hier an diesem Ort so zerhacken, wie es mit Todd Hayes geschehen ist…«
***
Wir hatten die Station verlassen und standen im Schnee. Das heißt, nicht sofort. Da hatten wir schon einige Meter hinter uns lassen müssen.
Wir mussten uns auf einen beschwerlichen Weg machen, und die in der Luft kreisenden Raben gaben uns die Richtung an.
Es ging diesmal nicht bergauf. Die Strecke wies ein leichtes Gefälle auf, das uns sehr entgegenkam. So mussten wir uns nicht besonders anstrengen, und wir merkten auch, dass die Schneedecke auf dem Boden dünner wurde.
Die in der Luft kreisenden Raben interessierten sich nicht für uns, weil sie abgelenkt waren, denn es war zu erkennen, dass sie auf eine bestimmte Stelle starrten. Dort musste etwas sein, das ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahm.
Ich hatte die Spitze übernommen, blieb stehen, um nach vorn zu schauen. Durch die dunklen Gläser der Brille waren meine Augen gut geschützt, und so sah ich, dass der Schnee immer weniger wurde und bereits der graue Fels zu sehen war.
Das teilte ich meinen beiden Freunden mit.
»Dann müssen sie dort sein«, sagte Harry. »Und ich denke, dass sie von den Raben unter Kontrolle gehalten werden. Irgendwas Wichtiges muss es dort geben. Oder seht ihr einen Grund, weshalb sie sich sonst dort aufhalten könnten?«
Den sahen auch Suko und ich nicht.
Etwas stimmte da nicht. Warum beachteten die Raben uns nicht? Ich hätte am liebsten in die Luft geschossen, um auf uns aufmerksam zu machen, das ließ ich aber bleiben, und wir beeilten uns, noch näher heranzukommen.
Es lief gut, bis zu dem Augenblick, als wir eine Stelle erreicht hatten, an der der Schnee fast völlig weggetaut war und der blanke Fels zu sehen war.
Wir taten nichts. Dafür jedoch die Raben, die ihren Schwärm und ihre Formation auflösten, als hätte jemand einen Stein zwischen sie geworfen.
Weg flogen sie nicht.
Sie hatten ein anderes Ziel.
Zumindest einige von ihnen, denn wie Pfeile stießen sie dem Erdboden entgegen…
***
Urs Hoffmann und Mario Montini hatten die Worte gehört. Allein, sie konnten es nicht fassen. Innerhalb kürzester Zeit war aus dem blinden Freund ein Todfeind geworden.
Zerhackt werden!
Und das von zahlreichen Vogelschnäbeln. Eine Folter erleben, wie man sie sich schlimmer nicht vorstellen konnte, wobei der Tod schließlich eine Erlösung gewesen wäre.
Das war verrückt. Das konnte nicht sein. Mit so einer Drohung bluffte man nur.
Hätte Fabricius normale Augen gehabt, hätten sie möglicherweise seinem Blick entnehmen können, ob er die Wahrheit sprach oder ihnen nur Angst einjagen wollte. Seine Stimme allerdings hatte so geklungen, als wäre es ihm ernst.
Urs Hoffmann fand seine Stimme als Erster zurück. Und er musste sich anstrengen, um die Worte hervorzupressen.
»Das - das - hast du doch nicht im Ernst gemeint? Das mit dem Zerhacken…«
»Ich bin kein Spaßmacher. Ich weiß, dass ich nicht ewig lebe, und muss demnach Vorsorge treffen.«
Urs wedelte mit der Hand. Er musste sich bewegen. Er wäre sonst verrückt geworden.
»Wenn wir uns weigern und du uns getötet hast, dann ist dein Problem nicht gelöst. Du müsstest dich bemühen, neue Nachfolger zu finden. Das wird nicht leicht sein, denke ich. So oder so sind deine Karten nicht gut.«
»Nein, Urs, nein. Du irrst dich. Du irrst dich gewaltig. Ich werde Menschen finden und sie auf meine Seite ziehen, darauf
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