1624 - Die Atlantis-Hexe
ihre Pflicht getan und ihr einen mörderischen Killer geschickt, der sich mit ihr beschäftigen konnte. Sie hatte ihre Macht bewiesen und dem Mann sogar die Handschellen gelöst.
Shaft hob seinen rechten Zeigefinger wie ein Lehrer, der seinen Schülern etwas sagen wollte. Das Grinsen gab seinem glatten haarloses Gesicht ein noch widerlicheres Aussehen. Die Staatsanwältin hatte den Eindruck, einen teuflischen Clown vor sich zu sehen.
»Wir sind jetzt allein, Frau Staatsanwältin. Diesmal sind die Vorzeichen umgekehrt. Jetzt sitzt du auf der Anklagebank, und ich stehe vor dir. Toll, nicht?«
Purdy wollte sprechen. Sie musste sich erst dazu aufraffen und fragte mit leiser Stimme: »Was wollen Sie?«
»Dich will ich!«
»Und weiter?«
Er lachte, riss dabei den Mund auf und zeigte für einen kurzen Moment seine Zunge. Er zog sie schnell wieder zurück und sagte: »Ich weiß doch, was du mit mir vorgehabt hast. Du wolltest mich für den Rest meines Lebens hinter Gitter schicken. Und das finde ich nicht gut.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, gar nicht. Aber jetzt bin ich frei, verstehst du? Ganz frei, denn ich habe eine Helferin bekommen, und die steht an meiner Seite. Ich kann wieder tun und lassen, was ich will, und mit dir fange ich an.«
Purdy holte ein paar Mal tief Luft. Sie fühlte sich schwach und ausgelaugt. Körperlich würde sie gegen diesen Hundesohn nicht ankommen, also musste sie es mit Worten versuchen.
»Es wird Ihnen nichts nützen. Sie können mich umbringen, aber Sie befinden sich nach wie vor in der Höhle des Löwen.«
Er spitzte die Lippen und dehnte: »Oh - ich zittere schon vor Angst. Die Höhle des Löwen. Was ist das schon, wenn man eine so tolle Helferin hat wie ich? Ich muss vor niemandem und nichts mehr Angst haben, verstehst du?« Er breitete die Arme aus. »Was mit mir geschehen ist, das ist einmalig. Nicht jeder Mensch bekommt diese Chance. Ich habe ein zweites Leben bekommen, ich bin auf der Welt einmalig, und ich will das auch bleiben.«
Reden, nur reden!, dachte Purdy. Irgendwann werden sie auf der Suche nach ihm auch hierher kommen. Und deshalb brauche ich Zeit. Alles andere ist unwichtig.
»Machen Sie sich nichts vor. Die Suche auf Sie wird längst begonnen haben. Man wird Sie einfangen und…«
»Stimmt!«, unterbrach er sie kreischend. »Man wird nach mir suchen. Aber bestimmt nicht in der berühmten Höhle des Löwen. Man wird draußen herumirren und muss sich dort eine Niederlage eingestehen. Ich bin besser, ich bin schlauer.«
Nach dieser Feststellung schlug er zu. Der Handrücken prallte gegen Purdys Wange. Ihr Kopf wurde nach rechts geschleudert, und der Schmerz breitete sich strahlenförmig aus.
Sie hörte ihn sprechen, nur nicht mehr SO klar. Seine Worte überschlugen sich beinahe, als er von einer Folter sprach, die er sich schon in der Untersuchungshaft ausgedacht hatte.
»Ja, da habe ich Zeit genug gehabt. Meine Gedanken waren immer bei dir. Ich habe mir vorstellt, was ich mit dir tun werde, wenn ich erst frei bin. Und jetzt bin ich frei, jetzt kann ich meine Träume erfüllen.«
Der nächste Schlag folgte. Diesmal traf es die rechte Wange. Wieder verspürte sie den bösen Schmerz, der bis hoch in ihr Gehirn zuckte.
Sie schloss die Augen. Es tat Purdy gut, ihren Peiniger nicht mehr zu sehen. Sie wollte aufgeben, zumindest wollte sie den Anschein erwecken. Ihr Vorteil war, dass der Killer sie nicht gefesselt hatte. Zwar fühlte sie sich körperlich schwach, aber wehrlos war sie nicht. Das wollte sie ihrem Peiniger bei passender Gelegenheit auch beweisen.
Sie hielt die Augen geschlossen. Das sah zumindest für Shaft so aus. Er sollte denken, dass sie durch die beiden Schläge ziemlich fertig war.
Der Doppelmörder stand breitbeinig vor ihr. Er war der Herr, er war derjenige, den nichts erschüttern konnte. Mit seinen Blicken sezierte er die Staatsanwältin, als suchte er eine bestimmte Stelle an ihrem Körper, die besonders schmerzempfindlich war.
Er fasste einen Entschluss und sprach ihn auch aus. Dabei glichen seine Worte mehr einem Selbstgespräch. Purdy hörte genau zu und konnte nur mit Mühe eine Reaktion unterdrücken.
»Ha, diese Augen. Diese verdammten Augen. Ich habe sie gehasst. Sie starrten mich in den Prozesstagen stets an. Sie glotzten, und ich wusste, dass du mich schon längst vorverurteilt hast. Ich hasse deine Augen, und ich werde dafür sorgen, dass du keinen Angeklagten mehr so anstarren kannst. Du wirst nie mehr sehen können. Das ist
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