1630 - Das Vampirwelt-Monster
Wind stemmen, während die Köpferin sprungbereit dastand und so etwas wie einen Wachtposten spielte.
»Ich habe bisher nur von ihm gesprochen. Das ist nun vorbei. Ich will nicht nur, dass du mir glaubst, ich will auch, dass du den Beweis siehst.«
Justine zuckte zusammen. Sie war nicht allzu sehr überrascht. Etwas Ähnliches hatte sich schon angedeutet. Jetzt wartete sie auf eine bestimmte Antwort, und die erhielt sie auch.
»Du wirst es sehen, Justine. Du wirst mein neues Werk bewundern können. Es ist so perfekt, dass ich es nicht mehr in meiner Welt lassen wollte. Ich habe meinem neuen Helfer die Freiheit gegeben, die wichtig für ihn ist. Er soll sich auch woanders umschauen, nicht nur in der Vampirwelt.«
»Du willst also, dass ich das Monster sehe.«
»Und du wirst es sehen!«, versprach er.
Loretta gefiel die Antwort ebenfalls, denn sie fing an, leise zu lachen.
Dracula II schaute sie nicht an. Auch Justine gönnte ihr keinen Blick. Sie drehte den Kopf und bewegte sich dabei um ihre Achse, um sich nach allen Seiten umzuschauen.
Rechts und links verlief der leicht glänzende Schienenstrang. In beiden Richtungen wurde er sehr bald von der Dunkelheit verschluckt. Vor und hinter ihr bewegte sich ebenfalls nichts. Die flache Landschaft lag da wie eine gemalte Kulisse. Es war also nichts zu erkennen, aber sie glaubte auch nicht, dass ihr Dracula II irgendwelche Märchen erzählt hatte. So etwas hatte er nicht nötig.
»Glaubst du mir nicht?«
»Doch, schon. Ich denke nur praktisch. Bisher hast du nur von deinem Monster gesprochen. Da meine ich, dass es Zeit wird, dass es auch erscheint.«
»Darauf wartest du?«
»Klar.«
»Dann will ich dich nicht länger warten lassen.«
Die Antwort war mit großem Ernst gegeben worden.
Justine stellte sich darauf ein, etwas Ungeheuerliches zu erleben. Sie sah, wie Mallmann auf dem Bahndamm zwei kleine Schritte zur Seite trat, um eine bestimmte Position einzunehmen. Er musste in diese Richtung schauen und drehte dabei seiner ehemaligen Verbündeten den Rücken zu.
Loretta kicherte wieder. Darum kümmerte sich Justine nicht. Sie sah in die Richtung, auf die sich auch Will Mallmann konzentrierte.
Noch war nichts zu sehen, doch Dracula II wurde nicht müde, einfach nur zu starren. Er bewegte die Arme und spreizte sie vom Körper ab, als wollte er eine Botschaft verbreiten.
In den nächsten Sekunden würde sich herausstellen, ob er bluffte oder nicht. Doch daran konnte Justine nicht glauben - und sie sah, dass sich weit von ihr entfernt in der Dunkelheit etwas bewegte.
Zu erkennen war es noch nicht. Sie hatte sich aber auch nicht geirrt.
Was sich da tat, sah sie als ein schwächeres Schattenspiel an, das sich immer mehr aufbäumte und wuchs.
»Na…?«
Sie gab keine Antwort auf Mallmanns Frage. Sie musste jetzt konzentriert bleiben und bereit sein, im richtigen Moment zu reagieren.
Wäre sie ein Mensch gewesen, hätte sie heftig geatmet. Das war bei ihr nicht der Fall. Ebenso wenig schlug in ihrer Brust ein Herz. Gespannt war sie schon, was sich da entwickelte.
Was immer es war, es bewegte sich. Und es glitt langsam in ihre Richtung. So lautlos wie ein großer Schatten, denn es war groß, weil es sich aufgerichtet hatte.
Was war das?
Diese Frage stellte sie sich, aber sie sprach sie nicht aus. Justine wollte keine Schwäche zeigen, was die andere Seite nur gefreut hätte. Sie war im Prinzip ein neutrales Wesen ohne Emotionen, in diesem Fall jedoch spürte sie schon etwas in sich aufsteigen, was ein Mensch als Beklemmung empfunden hätte. Bei ihr war es so etwas wie Neugierde auf das Kommende, das auch eine Gefahr beinhaltete.
Und es kam näher.
Es gab keine Geräusche ab. Alles geschah lautlos. Was zu hören war, das gehörte zu den allgemeinen Lauten der Nacht. Das leise Säuseln des Windes, und auch die Schienen waren nicht stumm. Justines sensible Ohren nahmen ihr leises Singen wahr.
Sie konzentrierte sich auf das Monster.
Es näherte sich. Nichts hielt es auf. Je näher es kam, umso mehr nahm es an Größe zu. Und so verwandelte es sich in ein machtvolles Wesen, vor dem ein normaler Mensch schon jetzt in Panik geflohen wäre.
Justine blieb stehen. Ebenso wie Dracula II und die Köpferin. Keiner bewegte sich. Man konnte sie mit den Akteuren auf einer Bühne vergleichen, die nur darauf warteten, dass ihnen der Regisseur die Anweisung zum Einsatz gab.
Ein Windbö fegte auf Justine zu. Es war, als hätte der Ankömmling sie ausgelöst. Immer mehr
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