1633 - Dienerin des Bösen
noch nicht gezeigt und ihr auch keinen Schluck Wasser gebracht, denn der Durst war schon schlimm und quälend.
Wann kam sie?
Sophie ging davon aus, dass man sie zwischen diesen feuchten Mauern nicht verhungern und verdursten lassen würde.
Ihre Entführung musste einen besonderen Grund haben. Je mehr sie darüber nachdachte, umso stärker hielt sie sich an ihrem Traum fest, der sie in der letzten Nacht so mächtig überfallen hatte.
Er war das Problem.
Er war auch ein Hinweis gewesen, denn ihr wurde immer mehr bewusst, dass die Frau, die sie im Traum gesehen hatte, identisch mit ihrer Entführerin war.
Es war ein Anfang von dem gewesen, was noch auf sie zukommen würde. Und zwar in der Realität. Rebecca würde mehr von sich preisgeben müssen. Nur so konnte Sophie der Wahrheit näher kommen.
Es blieb hell draußen. Nur sah sie am Einfall des Lichts, dass die Sonne wanderte und sich die Schatten veränderten. Ihr Durst nahm zu. Sie sehnte sich nach einem Schluck Wasser, konnte ihn sich aber nur vorstellen.
Bis sie das Geräusch an der dicken Holztür hörte. Es war ein Kratzen, verbunden mit einem leicht dumpfen Schlag, und dann bewegte sich die Tür und wurde nach innen gedrückt.
Rebecca tauchte auf.
Als Frau in einer engen, schwarzblauen Nonnentracht trat sie über die Schwelle. Es war nichts von ihrem Körper zu sehen, abgesehen von dem Gesicht, das auch jetzt seine klassische Schönheit nicht verloren hatte.
Dieses Gesicht wirkte, als wäre es einem Gemälde entnommen worden.
Einer Frau, die so aussah, traute man nichts Böses zu. Ihr brachte man Respekt und Vertrauen entgegen, aber Sophie war inzwischen misstrauisch geworden. Sie hätte Rebecca auch ansprechen können, was sie erstmal ließ. Sie wollte mehr von ihr erfahren, denn sie glaubte nicht, dass die Nonne stumm bleiben würde.
Ihre Hände waren nicht zu sehen, weil sie in den Taschen ihrer Kutte steckten. Die rechte zog Rebecca jetzt hervor und sagte dabei mit leiser Stimme: »Du wirst Durst haben.«
»Das habe ich.«
»Bitte.«
Sophie wollte es kaum glauben, als ihr eine gefüllte Wasserflasche entgegen gehalten wurde. Für einen Moment weiteten sich ihre Augen, ein Lächeln huschte um ihre Lippen und sie nahm die kleine Flasche dankbar entgegen.
Ihre Finger zitterten, als sie den Verschluss aufdrehte, und das Zittern blieb auch bestehen. Sie musste die Flasche mit beiden Händen halten und trank die Hälfte des Wassers, bevor sie den Verschluss wieder zudrehte und die Flasche wegstellte.
»Fühlst du dich jetzt besser?«
»Ja.«
»Das freut mich.« Die Nonne lächelte. »Weißt du, wo du dich befindest, Sophie?«
»Nein, nicht wirklich.«
»In einem Kloster. Aber nicht in irgendeinem Kloster, sondern in dem unsrigen.«
Sophie erschrak leicht. Sie ließ es sich allerdings nicht anmerken, sondern ging auf die Bemerkung ein.
»Ist es das Kloster, das ich bereits in meinem Traum gesehen habe?«
»Ja, das ist es.«
»Und du, Rebecca, wer bist du?«
»Die Oberin. Ich habe es geleitet. Ich habe den Orden der Einsamen Schwestern gegründet. Wir haben uns hierher zurückgezogen, um uns der Einsamkeit und der Stille hinzugeben. Wir haben uns hier sehr wohl gefühlt, aber es gab andere Menschen, die uns nicht wollten. Sie nannten uns Ketzerinnen, sie konnten nicht verstehen, dass wir einen anderen Weg eingeschlagen hatten.«
»Welchen?«
Rebecca lächelte. »Das wirst du noch erleben.«
Sophie fühlte ein Frösteln auf der Haut. »Ist es der Weg des Bösen gewesen?«
»Was meinst du damit?«
»Der in die Hölle führen kann?«
Nach dieser Frage musste Rebecca lachen. »Was ist die Hölle? Was ist der Himmel? Ist für den einen nicht die Hölle der Himmel und umgekehrt ebenso? Man sollte die Begriffe nicht voneinander trennen und sie einfach als Ganzes nehmen. Wir haben diese Unterschiede nicht gemacht, wir suchten unser Heil in jeder Richtung.«
»Dafür seid ihr getötet worden!«
»Das gebe ich zu. Unsere Ansichten sind zu radikal gewesen, und man mochte auch nicht, dass wir das Kloster einer bestimmten Person geweiht haben.«
»Wem denn?«
Rebecca legte den Kopf schief. »Du kannst es dir nicht denken, meine Teure?«
»Nein, das kann ich nicht.«
»Denk daran, dass dieser Teil des Landes ein Mythos ist. Dass man hier tief, sehr tief in die Vergangenheit zurückgehen muss, um an die Wurzeln zu gelangen. Nichts ist verschwunden, alles, was mal geschehen ist, das ist noch greifbar. Auch das, was man glaubt, vergessen zu
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