1637 - Der Spuk, der Nebel und wir
ausweichen und nicht unbedingt auf mich aufmerksam machen.
Der seltsame Friedhof musste etwas zu bedeuten haben. Davon ging ich einfach aus. Mallmann hatte mich an dieser Stelle abgesetzt. Er wollte, dass ich etwas Bestimmtes entdeckte, und nur deshalb ging ich diesen Weg, der mich in die Stille hineinführte, denn hier war kein Laut zu hören. Abgesehen von meinen Trittgeräuschen auf einem mehr als unebenen Boden, denn verschieden große Steine wuchsen immer wieder als Stolperfallen aus ihm hervor.
Langsam näherte ich mich dem Ziel. Und die Wände wuchsen stärker zusammen. Hin und wieder drehte ich mich um, weil ich nach Verfolgern Ausschau halten wollte.
Sie waren nicht da. Sie konnten sich weiterhin in den Höhlen versteckt halten, um auf einen günstigen Zeitpunkt zu warten.
Jetzt erkannte ich, dass es sich um normale Grabsteine handelte, die den Friedhof bildeten. Kreuze waren natürlich nicht dabei. Schlichte Grabsteine mit abgerundeten Seitenkanten. Ihre Farbe hob sich nicht von der Umgebung ab. Sie standen auch nicht in einer Reihe, sondern leicht versetzt.
Ein Grabstein aber war so etwas wie derjenige, der den Besucher begrüßte.
Er bildete die Spitze und fiel auch mir sofort auf. Ich brachte die Lampe in seine Richtung und leuchtete ihn an.
Auf der Vorderseite war etwas eingraviert worden. Keine Zahlen, sondern Buchstaben.
Ein Name.
Vor- und Nachname waren nicht nebeneinander geschrieben worden.
Sie standen übereinander, und meine Augen weiteten sich, als ich die Inschrift las: JOHN SINCLAIR
***
Ich musste schon schlucken, denn nach Lachen war mir in diesem Augenblick nicht zumute. Wer steht schon gern vor einem Grabstein, auf dem sein eigener Name zu lesen ist?
Will Mallmann hatte seine Vorbereitungen wirklich perfekt getroffen. Alle Achtung. Er hatte voll und ganz damit gerechnet, dass ich den Kampf gegen ihn verlieren würde, und hatte bereits entsprechende Vorsorge getroffen. So würde er, wenn ich kein Mensch mehr war, sich immer an diesem Grabstein ergötzen können.
Es war ja nicht nur der eine vorhanden. Nachdem ich meinen leichten Schock überwunden hatte, nahm ich mir die anderen Grabsteine vor. Ich war gespannt, ob man sie auch personalisiert hatte.
Der Stein, der von mir aus gesehen rechts von meinem stand, war ebenfalls mit einem Namen versehen worden. Diesmal war nur einer zu lesen, der zudem aus vier Buchstaben bestand.
SUKO Okay, daran hatte Dracula II auch gedacht. Suko, ich - und wer noch?
Dazu musste ich mir die anderen Grabsteine anschauen und war nicht überrascht, den Namen unseres Chefs, Sir James Powell, zu lesen.
Auch auf den anderen Steinen standen Namen.
Beinahe hätte ich gelacht, als ich Justine Cavallo las, die ja selbst eine Vampirin war. Auch Jane Collins war nicht vergessen worden. Glenda Perkins ebenfalls nicht, und sogar an Bill Conolly hatte er gedacht.
Praktisch all die Menschen, die er als seine extremsten Feinde ansah.
Für sie war in der Vampirwelt alles vorbereitet worden.
Damit hatte ich nicht rechnen können. Ich wusste nun, warum mich Mallmann in dieser Gegend abgesetzt hatte. Er kannte ja meine Neugierde und hatte sich nicht geirrt.
Ein Friedhof für das Sinclair-Team. Und das in Mallmanns Vampirwelt.
Perfekter hätte es nicht sein können.
Wer sein Grab hier finden sollte, war nun klar.
Noch lebte ich, und ich hatte auch vor, so lange wie möglich am Leben zu bleiben. Vor allen Dingen wollte ich den Supervampir aus der Welt schaffen. Alles andere war zweitrangig. Deshalb stand ich auch hier. Der Spuk musste es gewusst haben. Möglicherweise war das der Grund, weshalb er mich in die Vampirwelt geschafft hatte.
Egal. Ich wusste jetzt Bescheid und…
Dann war das Rauschen wieder zu hören. Oder das Flattern. Ich blickte in die Höhe und musste schon den Kopf drehen, um die riesige Fledermaus zu sehen, die nicht über meinen Kopf hinwegschwebte, sondern ein Stück vor mir auf der Felswand zur Landung ansetzte und sich sofort wieder in den Vampir Will Mallmann verwandelte.
Er hatte sich einen guten Landepunkt ausgesucht, von dem aus er mich unter Kontrolle halten konnte.
»Na, Sinclair, wie gefällt dir meine kleine Anlage? Diese Welt ist perfekt. Ich habe sie nach meinen Vorstellungen geschaffen und dabei nichts vergessen. Sogar dich und deine Freunde nicht. Ihr werdet in meiner Welt Ehrengäste sein.«
»Wie fürsorglich von dir. Aber darauf kann ich verzichten.«
Mallmann bog seine Gestalt nach hinten, als er anfing zu lachen.
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