1637 - Der Spuk, der Nebel und wir
»Ja, das kann ich mir denken. Aber lass mir diesen Spaß. Ich will eine Erinnerung an euch haben.«
»Und du gehst davon aus, dass du es auch schaffst, die Menschen aus dem Weg zu räumen, deren Namen auf den Grabsteinen stehen?«
»Davon bin ich überzeugt. Was ich mir vorgenommen habe, das ziehe ich auch durch. Ihr werdet mir nicht mehr entkommen können, darauf kannst du dich verlassen. Ihr werdet hier euer menschliches Dasein verlieren und als blutgierige Wiedergänger durch eure neue Heimat gehen. Was für euch ein Ende ist, das ist für mich ein Anfang. Und der Erste, der hier sein menschliches Dasein verlieren wird, bist du. Mit dir mache ich den Anfang. Dann hole ich mir die anderen der Reihe nach.«
»Auch Justine Cavallo?«, spottete ich.
»Ja, auch sie.«
»Aber sie ist wie du. Sie existiert durch das Blut der Menschen, das sie zu sich nimmt.«
Mallmann winkte scharf ab. »Das weiß ich, Sinclair. Hör auf, ich kenne mich aus. Für Justine habe ich mir etwas Besonderes ausgedacht. Auch wenn sie mich anflehen würde, dass ich sie wieder in meine Gemeinschaft aufnehme, ich werde sie abblitzen lassen, denn ich werde sie auf eine besondere Weise vernichten.«
»Aha - und wie?«
»Ich werde sie auseinanderreißen lassen. Vierteilen nennt man das. Bisher habe ich jeden Gegner vernichten können. Es ist nur eine Frage der Zeit. Auch der Pfähler Frantisek Marek hatte gedacht, ewig zu leben. Ich war besser als er, das weißt du…«
Ja, das wusste ich, und ich spürte, wie die Wut in mir hochstieg, als ich daran dachte, dass ich den Pfähler hatte töten müssen. Mallmann war es damals gelungen, die entsprechenden Fäden zu ziehen und ein Netz zu spinnen, in dem sich der gute Marek verfangen hatte.
Und jetzt stand Dracula II dicht vor seinem großen Ziel. Das musste ich neidlos anerkennen. Ich wusste auch nicht, wie ich ihn von weiteren Aktivitäten abhalten sollte.
Aber ich fragte mich, was er sich als Nächstes ausgedacht hatte. Den Friedhof hatte ich gefunden. Mir war die Bedeutung der Grabsteine bewusst geworden, aber das konnte noch nicht alles sein. Das dicke Ende wartete sicher noch auf mich.
»Was ist, Will?«, rief ich provozierend. »War das alles? Habe ich das sehen sollen?«
»Auch.«
»Dann geht es also weiter?«
»Was hattest du gedacht? Das Menü ist noch nicht komplett, das Wichtigste fehlt noch.«
»Und was ist das?«
»Dein Tod, John. Deine endgültige Vernichtung. Du wirst diese Welt nicht mehr als normaler Mensch verlassen. Du hast es oft geschafft, das ist jetzt vorbei. Du wirst meine Hütte mit dem Spiegel nicht mehr sehen können. Hier wirst du dein Ende und deine neue Existenz finden. Wäre ich ein normaler Mensch, dann würde ich sagen: Willkommen im Club, John Sinclair…«
Das hatte er einfach loswerden müssen. Es hatte auch keinen Sinn, ihm weitere Fragen zu stellen, denn er wollte nicht mehr. In rasender Geschwindigkeit verwandelte er sich auf dem Rand des Felsens erneut in die Fledermaus und flog davon. Somit war ich meinem Schicksal überlassen worden und würde ihn wohl erst wieder sehen, wenn ich kein normaler Mensch mehr war. Das auch weiterhin zu bleiben hatte ich allerdings vor, und ich begann damit, gewisse Schutzmaßnahmen zu ergreifen.
Zunächst hängte ich mein Kreuz vor die Brust, damit es gut sichtbar war.
Bei der Berührung hatte ich die schwache Wärme gespürt. Der Talisman merkte sehr wohl, dass in dieser Welt für mich große Gefahren lauerten.
Das Kreuz war eine gute Waffe gegen die Vampirbrut. Und das wirklich seit alters her. Wenn es vor meiner Brust hing, würde kein Blutsauger in meine unmittelbare Nähe gelangen, das war schon ein Vorteil für mich.
Allerdings sind viele Jäger des Hasen Tod. Das konnte auch auf mich zutreffen, wenn die Anzahl der Gegner zu übermächtig war. Und ich glaubte nicht daran, dass sie sich alle so dumm verhielten und dabei gegen das Kreuz rannten. Da würde es noch Probleme geben.
Und die waren bereits auf dem Weg!
Ich für meinen Teil hatte doch richtig vermutet. Die Öffnungen in den beiden Felswänden waren nicht geschlagen worden, um Luftlöcher zu schaffen. Sie dienten als Eingänge zu den Verstecken, die sich die Vampirbrut ausgesucht hatte.
Und jetzt wollten sie raus. Mallmann hatte ihnen den Weg freigegeben.
Was ich in den folgenden Sekunden zu sehen bekam, das weckte nicht eben die Hoffung auf eine Flucht in mir…
***
Ich hatte die Löcher nicht gezählt, als ich an ihnen vorbeigegangen
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