1637 - Der Spuk, der Nebel und wir
weil ich sehen wollte, ob weitere Feinde aus den Eingängen krochen.
Das war nicht der Fall, und so setzte ich meinen Weg fort. Je größer die Lücke zwischen den Wänden wurde, umso mehr Platz gab es für mich.
Das genau war mein Vorteil.
Bisher bewegte ich mich auf der Siegerstraße, und ich wollte, dass es so blieb. Dass ich mich immer wieder in ähnlichen Situationen befand, kam mir jetzt zugute. Ich behielt die Nerven, drehte nicht durch und wirkte nach außen hin cool.
Die Bande kam nicht näher. Sie wich sogar zurück. Aber die Blutsauger blieben zusammen, sodass sie so etwas wie eine lebende Wand bildeten, in der es keine Lücken gab.
Ich dachte darüber nach, einen von ihnen mit einer geweihten Silberkugel zu vernichten. Es juckte mir schon im Zeigefinger, aber ich wollte kein Geschoss verschwenden. Es konnte sein, dass ich noch auf jede Kugel angewiesen war.
Wieder ging ich einen Schritt vor. Und wieder hörte ich nichts von den Blutsaugern. Sie schrien nicht, sie geiferten nicht, sie blieben einfach nur still und beobachteten mich aus Augen, in denen kein Funken Leben mehr war. Gierige Blicke hatte ich bei anderen Vampiren erlebt, aber nicht hier.
Mit dieser Armee als Rückendeckung wollte Mallmann die normale Welt stürmen und dort seine Zeichen setzen. Es war für mich ein schrecklicher Gedanke, dass sich diese Gestalten auf Frauen, Männer und Kinder stürzen würden. Das musste verhindert werden!
Ich lief schneller.
Sofort nahmen auch die Vampire dieses Tempo auf und wichen entsprechend zurück.
Das verleitete mich zu einem ersten Grinsen. Ich fühlte mich nicht mehr ganz so in die Ecke gedrängt. Die Siegerstraße lag zwar noch meilenweit entfernt, aber wenn ich aus dieser relativen Enge herauskam, sah es schon besser aus. Ich wollte Dracula II auf keinen Fall einen Triumph über mich gönnen.
Die grauen Gestalten blieben zwar dicht beisammen, aber sie bewegten sich doch. Manche schlugen nach mir, was natürlich nur eine Andeutung war, denn ihre krallenartigen Hände trafen kein Ziel. Andere rissen ihre Mäuler weit auf, sodass ich selbst auf diese Entfernung ihre mörderischen Hauer sah.
Das alles waren nur Schattenspiele. Sie konnten nicht an mich herankommen. Es war mein Kreuz, das mich schützte.
Die Hälfte der Strecke lag bereits hinter mir, und den zweiten Teil würde ich auch noch schaffen.
Leider irrte ich mich.
Es war mein Fehler gewesen, dass ich mich zu sehr auf die Meute konzentriert und nicht mehr an Mallmann gedacht hatte. Erneut hörte ich über und hinter mir das Flattern der Flügel. Ich blieb augenblicklich stehen, vergaß die Meute, um mich Mallmann zu stellen. Ich wollte ihn auch mit einer schnellen Kugel aufhalten, was ich nicht mehr schaffte.
Er war schon zu nah.
Und ich sah, dass von ihm aus etwas auf mich zuflog. Es konnte ein Stein sein, so genau sah ich das nicht; Aber der Gegenstand traf mich am Kopf, und von diesem Moment an veränderte sich alles…
***
Eine irre Angst peitschte in mir hoch. Ich glaubte, mein Kopf würde zerspringen. Der scharfe Schmerz zuckte in alle Richtungen, und ich verlor schlagartig die Übersicht.
Trotzdem blieb ich auf den Beinen. Wie ich das schaffte, wusste ich nicht. Auch mein Gehör funktionierte noch, denn ich vernahm Mallmanns Stimme. Sie klang, als würde sie durch einen Filter gedämpft.
Ich blieb stehen. Der Schmerz verschwand nicht, aber er verlagerte sich.
Über meinem rechten Ohr und am Hinterkopf strahlte er ab. Er überflutete meine Gedanken, er machte mich fertig, und trotzdem hörte ich noch die kalte Stimme des Supervampirs.
»Ich wusste, dass du dich wehren würdest, Sinclair. Ich kenne dich einfach zu gut. Aber das alles bringt dich nicht weiter. Ich bin besser. Du kannst meiner Welt nicht mehr entkommen. Es wird dir nur gelingen, wenn ich es will.«
Jedes Wort war wie eine Anklage und traf mich schwer. Ich wusste nicht, wie viel Zeit nach dem Angriff vergangen war, aber ich stand noch immer auf den Beinen. Allerdings würde das nicht mehr lange der Fall sein, denn ich fing an zu schwanken.
Etwas drehte sich.
Ich riss die Augen auf, um zu erkennen, was es war, aber meine Sicht war nicht mehr wie sonst. Vor mir bewegten sich die Leiber der Vampire.
Sie kamen mir vor wie helle Gestalten aus dem Totenreich. Ich hörte sie kreischen und lachen, denn sie erlebten die Vorfreude auf den Trank, der ihnen wieder Kraft geben sollte.
Eine Hand legte sich auf meinen Rücken. Bevor ich etwas fragen konnte,
Weitere Kostenlose Bücher