1638 - Leichenspur des Künstlers
flackerte ein Ausdruck, der uns gar nicht gefiel.
»Ich - ich - habe eben telefoniert«, stotterte er. »Der Anrufer wollte eigentlich Sie sprechen. Aber Sie waren nicht greifbar. Und so hat er mir die Botschaft übermittelt.«
»War es Frank Gilensa?«, fragte ich.
»Ja!«
Neben mir ließ Harry zischend Luft ab, während ich recht gelassen blieb.
»Was wollte er?«
»Das werde ich Ihnen jetzt sagen…«
***
Der Hass auf den Geisterjäger John Sinclair und der Wille, erst mal unterzutauchen, trieben den Künstler voran. Er hatte zuerst daran gedacht, die Flucht zu ergreifen, dann aber hatte er sich daran erinnert, welch eine Kraft er in seiner kleinen Kapelle getankt hatte, und jetzt fühlte er sich stark genug, nicht nur Sinclair aus dem Weg zu räumen, sondern diesen anderen Bullen gleich mit.
Genau deshalb floh er nicht aus dem Ort, sondern schlug den Weg zum Moselufer ein. Er wusste, dass es dort so etwas wie ein Versteck für ihn gab. Es sollte nur ein Übergang sein. Wenn die beiden Bullen ausbluteten, war er längst wieder verschwunden.
Sein Versteck war ein Motorboot. Es war an einer Anlegestelle vertäut und gehörte einer Familie, die im Ort wohnte. Das Liegerecht hatte sie geerbt, und Frank Gilensa wusste, dass dieses Boot kaum benutzt wurde.
Die Dämmerung war inzwischen hereingebrochen. Die Luft war feuchter geworden. Über dem Fluss lagen erste Nebelinseln, und Spaziergänger waren kaum noch unterwegs. Den Radfahrern auf dem Uferweg wich er aus und verbarg sich hinter hohem Buschwerk.
Er konzentrierte sich aus einer sicheren Deckung hervor auf die Anlegestelle und wollte schon auf sein Versteck zuhuschen, da sah er die Bewegung an Deck.
Eine junge Frau war aus der Kabine geklettert und stellte sich in ihrem Flatterkleid in den Wind.
Damit hatte Frank nicht gerechnet. Er war gezwungen, blitzschnell umzudisponieren, und plötzlich huschte ein böses Lächeln über seine Lippen.
Eine neue Geisel war gar nicht so schlecht. Sie passte in seinen Plan.
Damit konnte er die Bullen locken.
Wer die Frau war, wusste er nicht. Er hatte sie im Ort noch nie gesehen.
Wahrscheinlich war das Boot von den Besitzern vermietet worden.
Die Frau sollte ihn nicht sehen. Da war es schon besser, wenn er wartete, bis sie wieder unter Deck verschwunden war.
Als hätte sie seinen Wusch gehört, drehte sie sich um und schritt auf einen Niedergang zu. Sie blickte nur nach vorn und war wenig später nicht mehr zu sehen.
Das war Franks Chance. Zugleich wusste er, dass er nichts überstürzen durfte. Er hatte sich wieder gut unter Kontrolle und bewegte sich langsam und geduckt auf den Anleger zu. Der Uferweg davor war frei.
Es war weder ein Radfahrer zu sehen noch ein Fußgänger.
Den Anleger brachte er schnell hinter sich. Danach kletterte er lautlos auf das Deck und duckte sich dort zusammen. Er würde den Weg nehmen, den auch die Frau genommen hatte.
Als er den Niedergang erreichte, zuckte er zusammen, weil er aus der Kajüte des Boots eine Stimme gehört hatte. Sie gehörte nicht der Frau, sondern einem Mann.
Damit hatte er nicht gerechnet. Aber Frank war auch kein Typ, der sich durch so etwas von seinem Plan abbringen ließ. Ein diabolisches Grinsen zeigte sich auf seinem Gesicht, als er sein Mordmesser hervorholte. Er leckte einmal über die Klinge und warf danach den ersten Blick nach unten.
Dort brannte schon Licht. Aber es war gedimmt worden, um eine romantische Stimmung zu erzeugen. Der Winkel war schlecht, so sah er die beiden Passagiere nicht.
Aber er hörte sie. Sie sprachen darüber, ob sie zum Essen gehen oder grillen sollten.
Beide entschieden sich für das Essen außerhalb.
»Gut, dann ziehe ich mir was anderes an«, sagte die Frau.
»Okay.«
Sie ging. Frank hörte, wie eine Tür geöffnet wurde.
Es lief prächtig. Bisher hatte ihn niemand entdeckt, und das sollte auch so bleiben.
In den folgenden Sekunden schlich er über die Stufen. Das Plätschern der Wellen übertönte jedes Geräusch. Sekunden später konnte er einen ersten Blick in die Kabine werfen, in der er nur den Mann sah.
Er saß an einem Tisch und drehte ihm den Rücken zu. So ein Glück konnte man normalerweise nicht haben. Der Teufel hatte sich auf seine Seite gestellt, und dieses Glück musste er einfach ausnutzen.
Er dachte an seine großen Helden, als er die letzte Stufe hinter sich ließ.
Der Mann hatte ihn nicht gehört.
Er sah auch nicht, dass hinter ihm ein Messer gehoben wurde, und spürte kaum etwas, als die
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