1638 - Leichenspur des Künstlers
Harry die Frau packte und sie vom Bett wegzog. Er drehte sie um und schob sie auf den Niedergang zu.
In diesem Augenblick sprang der Künstler wieder in die Höhe. Sein Messer hatte er aus den Planken gerissen. Er starrte auf das leere Bett, heulte auf und wollte sich auf Harry stürzen, der ebenfalls in Richtung Treppe gelaufen war.
Dort aber stand jetzt ein Mann, der eine Pistole in der rechten Hand hielt und tropfnass war.
»Hast du mich gesucht, Frank Gilensa?«
Der Künstler konnte es nicht fassen. Er brüllte auf, und er schrie dabei den Namen des Mannes.
»Sinclair…«
***
Ich hörte den Schrei. Ich sah, dass Harry am Hals und am Kinn stark blutete, und bekam mit, wie er die Frau vor der letzten Stufe zur Seite drückte, sodass ich freie Bahn hatte.
Endlich standen wir uns gegenüber. Ich war entschlossen, den Mörder aus dem Verkehr zu ziehen.
»Du hast mich doch gesucht, nicht wahr? Hier bin ich. Hier steht derjenige, den du von London bis hier an die Mosel gelockt hast.«
Gilensa bewegte seinen Mund, ohne etwas zu sagen. Harrys Pistole lag auf dem Boden. An sie dachte er nicht. Er verließ sich auf sein Messer, dessen Klinge mit Blut beschmiert war, das auch über sein Handgelenk gelaufen war.
Er atmete heftig. Trotz des schlechten Lichts sah ich, dass seine Augen blutunterlaufen waren. Er suchte nach einer Möglichkeit, mich aus dem Weg zu räumen.
»Keine Chance!«, sagte ich. »Du solltest aufgeben.«
Die Antwort bestand aus einem meckernden Lachen. Da er nichts tat, trat ich einen Schritt nach vorn und gab so den Weg zum Deck frei, was Harry auch schnell erfasste.
Er packte die Frau am Arm und schob sie die Stufen hoch.
Ich stand jetzt neben dem Mann auf dem Stuhl, der nicht mehr atmete.
Die Wunde in seinem Rücken hatte ich gesehen und wusste, dass der Künstler wieder zugeschlagen hatte.
»Dein Weg ist zu Ende, Gilensa!«, erklärte ich. »Und es tut mir nicht mal leid. Ich habe gesehen, was du deiner Kollegin angetan hast. Ich kann es nicht begreifen, aber ich weiß, dass Menschen wie du nicht frei herumlaufen dürfen.«
»Willst du mich einsperren?«
»Es wäre am besten für dich!«
Er schüttelte wild den Kopf. »Ich lasse mich nicht einsperren! Ich nicht. Nur die wenigsten meiner Vorbilder sind eingesperrt worden. Das wird mir nicht passieren.«
»Die Serien- und Massenmörder, nicht wahr?«
»Ja, sie sind es. Ich aber wollte noch mehr sein als sie. Ich wollte beweisen, wozu ich fähig bin. Ich habe denjenigen hergelockt, der in manchen Zeitungen als Geisterjäger beschrieben wird.« Weit riss er seine Augen auf. »Und die Geister sind meine Freunde, Sinclair. Weißt du jetzt Bescheid? Ich hasse Menschen, die Geister vernichten wollen. Damit stehst du an erster Stelle auf meiner Liste.«
Es war unglaublich. Ein solches Motiv hatte ich noch nie erlebt. Es klang fast lächerlich, aber diesem durchgedrehten Psychopathen war es tatsächlich ernst.
»Dein Weg ist hier beendet. Es wird keinen Künstler mehr geben. Nur noch hinter Gittern.«
»Niemals wird man mich einsperren. Ich stehe unter dem Schutz meiner Geisterfreunde. Ich weiß es. Sie geben mir die Ratschläge. Sie sehen in mir ihren Nachfolger und ich…« Er konnte nicht mehr sprechen, denn er stand dicht vor dem Durchdrehen.
Was war das nur für ein Mensch. Er war jetzt mehr mit sich selbst beschäftigt. Ich hätte ihn gern niedergeschlagen und von Bord geschleift, aber ich traute mich nicht zu nahe an ihn heran, da er ständig mit dem Messer herumfuchtelte.
»Gib auf, Gilensa. Es wird keinen Künstler mehr geben, das habe ich dir schon mal gesagt!«
»Neiiinnn!«
Das eine Wort reichte, um völlig durchzudrehen. Ihn hielt nichts mehr an seinem Platz. Aus dem Stand stürmte er auf mich zu und schwang sein scharfes Messer.
Dass er damit umgehen konnte, war klar. Ich hatte hier unten wenig Platz zum Ausweichen, und so musste ich ihn auf eine andere Weise stoppen.
Ich schoss.
In der Kabine war der Abschussknall überlaut zu hören. Ich hätte Frank Gilensa mit einem Kopfschuss für immer von der Welt verschwinden lassen können. Aber das war nicht mein Stil. Ich hatte Zeit gehabt, auf ihn zu zielen, und so hatte ich ihm die Kugel ins rechte Bein geschossen.
Es trat das ein, was ich gewollt hatte. Noch bevor er mich erreichen konnte, knickte er nach rechts weg. Es sah so aus, als wäre ihm das Bein von einer unsichtbaren Kraft zur Seite geschlagen worden.
Jedenfalls fiel er zu Boden, überrollte sich dabei und
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