164 - Der vielarmige Tod
Verlauf. Sie stellten fest, dass der Fluss etwa einen Kilometer hinter dem Taj Mahal, das in früheren Zeiten das Grabmal des indischen Großmoguls Schah Jahan und seiner Gattin Arjumand Banu gewesen war, her führte.
Am dem Taj Mahal zugewandten Ufer fanden sie auch einen guten Landeplatz. Bevor sie den Kurs jedoch entsprechend ändern konnten, fegte ein kalter Windstoß aus Norden heran und trieb sie von hinten auf den Zwiebelturm zu.
Unter deftigen Verwünschungen gab Pofski sein Letztes, um zu verhindern, dass sie mit der Marmorkuppel kollidierten.
Zwar gelang es ihm mit knapper Not, doch er konnte nicht verhindern, dass ein spitzer Gegenstand, der aus dem Zwiebelturm ragte, durch den Korbboden ratschte und ihr Luftfahrzeug festhielt.
Als sich die Männer über die Backbordreling beugten, sahen sie, dass die Turmspitze im oberen Drittel geborsten war. Ein Loch war entstanden, durch das auch ein dicker Mann bequem hätte fallen können. Rötlich gelbes Licht drang zu ihnen herauf.
»Was ist das?« Kapitän Pofski kniff die Augen zu Schlitzen zusammen, konnte aber nichts erkennen.
»Ich schau mir das mal an.« Karan band sich ein Seil um die Hüften und befestigte das andere Ende am Korb. Er schob sich den Säbel in seinen Gurt und kletterte über den Rand. Dann ließ er sich lautlos auf die Kuppel sinken, über der sie fest hingen, und legte sich auf den Bauch, um durch das Loch zu spähen.
»Was siehst du? Was siehst du?« Der Russe ergriff das Seil und zog sich näher an Karan heran, der sich an den Bruchrändern festhalten musste, um nicht vom Dach gepflückt zu werden. Endlich hing der Korb so, dass auch Pofski Einblick in das Loch hatte.
Tief unter ihnen, in einem riesigen, mit dämonischen Fresken verunzierten Saal, wiegten sich im Schein armdicker schwarzer Opferkerzen vermummte Kaàliten um ein mit dunklem Wasser gefülltes Becken und schrien »Kaàli! Kaàli! Kaàli!« Dass sie von der Beschädigung des Dachs nichts bemerkt hatten, ließ darauf schließen, dass sie sich in Trance befanden. Die Trümmer waren glücklicherweise in das Bassin gestürzt und hatten so keine Spuren hinterlassen.
Vier ihrer doggenhaften Kettenhunde schleiften jetzt eine kreischende und um sich tretende Nackte von außerordentlicher Schönheit heran und stießen sie unter dem Jubel der Umstehenden in das Becken. Keine Sekunde später peitschten oberschenkeldicke Tentakel das Wasser auf, packten die Frau und bohrten sich an mehreren Stellen in ihren Körper!
Kapitän Pofski fielen beinahe die Augen aus dem Kopf, als er sah, wie das arme Opfer innerhalb von Sekunden regelrecht ausgesaugt wurde.
Dann lösten sich die Fangarme wieder und schleuderten die leere und erschlaffte Leibeshülle des Opfers aufs Wasser, auf dem es träge liegen blieb.
Karan Khan trennte sich von seinem Mageninhalt – schlauerweise außerhalb der Kuppel. Dann schaute er sich kreidebleich um. Kapitän Pofski wurde klar, welch abscheuliches Schicksal Aruula und der Base seines Freundes bevorstand.
Karan zückte seinen Säbel und hackte die Kuppelspitze, die den Ballon festhielt, ab. Das Luftschiff bekam sogleich Auftrieb. Kapitän Pofski erwachte aus seiner entsetzten Starre und zog seinen Freund an Bord.
Eine ganze Weile konnte keiner von ihnen etwas sagen. Erst als sie wieder am Flussufer waren und auf dem zuvor entdeckten Platz landeten, sagte Karan Khan: »Ich kann keine Minute mehr warten, mein Freund. Nach dem, was ich gesehen habe, werde ich erst wieder schlafen, wenn ich Kavita gefunden und befreit habe.« Er schaute zu Boden. »Ich hoffe nur, sie lebt noch.«
Kapitän Pofski nickte. Ihm schlotterten noch die Knie. Auch vor seinem geistigen Auge spielte sich das schreckliche Geschehen immer wieder ab.
»Ich gehe mit«, sagte er und legte eine Hand auf Karan Khans Schulter, wozu er sich auf die Zehenspitzen stellen musste. »Du weiß ja: Ein Pofski lässt keinen Genossen im Stich!«
***
Der Regen rauschte auf den Dschungel hinab, als Kapitän Pofski und Karan Khan – beide hatten ihr Gesicht mit Ruß geschwärzt – wie zwei Wildkatzen über den gerodeten Landstreifen robbten und sich an die marmorne Außenwand des Taj Mahal schmiegten.
Wenigen Minuten zuvor waren hier zwei mit Armbrüsten und Lanzen bewaffnete Wachleute vorbei gekommen.
Auch Kapitän Pofski war fest entschlossen, bis zum letzten Seufzer zu kämpfen. Diesem abscheulichen Kult und der Kreatur unter Wasser musste ein Ende bereitet werden. Wenn es ihnen nicht gelang,
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