1641 - Die Blutmaske
sah auch ich Jane Collins nicht. Ich wollte sie aus ihrer Deckung locken und rief deshalb zweimal ihren Namen. Die Vorstellung, dass sie zu einer Feindin geworden war, wollte mir nicht in den Kopf. Ich hoffte darauf, dass sie einen kühlen Kopf behielt, wenn sie mich sah. Noch immer erinnerte ich mich gut daran, wie sie sich damals verhalten hatte, als sie auf der Seite der Hölle stand.
»Warum gibst du keine Antwort, Jane?«
Ich erhielt sie. Irgendwo vor mir hörte ich ihre Stimme.
»Komm ruhig näher, John. Bis ich stopp sage!«
»Also gut.«
Ich hatte meine Stimme völlig normal klingen lassen, was nicht einfach gewesen war. Bei ihrer Antwort hatte Janes Stimme so verändert geklungen, als stünde sie unter einem großen Druck und als wäre sie zugleich von einem tiefen Hass erfüllt.
Mein Herz klopfte schneller. Auf meinem Gesicht lag Schweiß. Ich konnte die Gedanken, die durch meinen Kopf schössen, kaum fassen.
»Stopp!«
Janes leicht schrille Stimme zwang mich dazu, anzuhalten. Ich wollte auf keinen Fall etwas provozieren.
Ich stand ungefähr an der Grenze zwischen den beiden so unterschiedlich angelegten Räumen. Vor mir lag der Bereich der Domina. Ich musste mich schon sehr täuschen, wenn Janes Stimme mich nicht von dort erreicht hatte.
Nur meine Augen bewegten sich, und ich hatte tatsächlich das Glück, eine Bewegung wahrzunehmen.
Von der Seite her kam Jane Collins auf mich zu. Sie hatte die Dunkelheit ausgenutzt und sich dort versteckt gehalten. Jetzt nicht mehr. Sie kam mit leisen Schritten und trat immer mehr in das fahle Licht hinein.
War das noch Jane Collins?
Ja und nein. Bis zu ihrem Gesicht war alles okay. Ich hatte natürlich an die Maske gedacht, mir aber keine genaue Vorstellung davon gemacht, wie sie aussah.
Jetzt hatte ich Mühe, nicht den Kopf zu schütteln. Denn sie war eine Ausgeburt an Hässlichkeit. Bei ihrem Anblick wurde ich an die Pestmasken erinnert, die man zum Schutz gegen diese Seuche aufgesetzt hatte, obwohl das auch nichts geholfen hatte. Nur war diese nicht dunkel, und Jane Collins schien sich darunter wohl zu fühlen. In ihrem Gang lag auch keine Unsicherheit, und erst an zweiter Stelle registrierte ich, dass sie ihre Beretta in der Hand hielt, deren Mündung auf mich zielte.
Ich war froh, den rechten Arm nicht angehoben zu haben, so wies die Mündung meiner Waffe zu Boden.
»Willst du schießen?«, fragte ich sie.
»Ja.«
»Warum willst du mich töten?«
»Du bist ein Feind der Hexen. Und deshalb werde ich dich aus der Welt schaffen.«
»Ist das dein freier Wille?«
»Ja und nein. Aber ich werde gehorchen. Ich gehöre ja zu ihr.«
»Wer ist denn sie?«
»Gabriela Scottis Geist. Eine mächtige Hexe hat sich auf die Blutmaske verlassen. Sie hat das Blut fließen lassen, und es hat ihr gut getan. Genau das werde ich auch tun. Ich bin ihre Nachfolgerin, denn mir gehört jetzt die Maske.«
Ich wusste jetzt Bescheid. Leider konnte ich Janes Augen in den Öffnungen nicht sehen, aber ich wollte es einfach nicht hinnehmen, wenn sie so redete.
»Nein, das bist du nicht, Jane. Dein Platz ist woanders. Du gehörst zu uns, verstehst du? Die Vergangenheit ist tot. Es hat keinen Sinn, sie wieder zurückkehren zu lassen. Die Blutmaske hat keine Berechtigung mehr, zu existieren.«
»Sie gehört mir. Sie hat mich wieder an meine wahre Bestimmung erinnert. Daran wirst auch du nichts ändern. Wer sich mir in den Weg stellt, den werde ich vernichten.«
Verdammt, es war Janes Stimme, die mir das alles gesagt hatte. Noch immer konnte ich es nicht glauben, aber für sie gab es offenbar kein Zurück mehr. Nicht aus eigener Kraft. Man hätte ihr schon die Maske vom Gesicht reißen müssen. Ich war dazu nicht in der Lage, denn ich stand zu weit von ihr entfernt. Es war letztendlich alles gegen mich oder gegen uns gelaufen.
Nein, nicht ganz.
Zuerst hatte ich an eine Täuschung geglaubt und mir die Bewegung dicht über dem Boden nur eingebildet. Ich musste rechts an Jane vorbei schielen, um etwas zu erkennen, wobei ich mich auf keinen Fall zu auffällig verhalten durfte.
Dort robbte jemand heran. Jetzt verstand ich auch, warum Suko an mir vorbeigelaufen war und mich allein gelassen hatte. Er hatte die Situation noch ausnutzen können und schlängelte sich jetzt lautlos immer näher an Jane Collins heran.
Die hatte ihn nicht bemerkt. Sie war voll und ganz auf mich konzentriert.
Sicherlich rechnete sie auch mit einer Gegenwehr, doch ich stand starr und tat nichts, was sie
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