1641 - Die Blutmaske
Ihr standen zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung.
Sie hatte uns bei unserem letzten Fall geholfen, das stimmte. Gegen den Hauptakteur Adrian Block hatten wir ohne sie gekämpft. Sie war zwar auch in der Wohnung gewesen, doch sie hatte sich in einem anderen Zimmer aufgehalten. Zusammen mit Claudine van Straaten, die in diesem Haus ihrem Job als Domina nachging.
Für Justine Cavallo war sie die ideale Beute gewesen. Jetzt stand sie unter ihrer Kontrolle, und sie würde genau das tun, was die Cavallo wollte.
Das konnte nichts Gutes bedeuten, denn ich ging davon aus, dass sie einen Plan hatte. Ja, es gab keine andere Erklärung für mich. Grundlos hatte sie Claudine nicht am Leben gelassen. Normalerweise hätte sie deren Blut getrunken und sie anschließend entsorgt, wie sie es ausdrückte. Jetzt lagen die Dinge anders. Sie waren zu zweit, und sie waren nicht zu unterschätzen.
Ich warf einen Blick auf die Uhr. Der Abend war längst angebrochen. Es wurde Zeit, das Licht einzuschalten.
Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, einen ruhigen Abend zu verbringen, aber jetzt würde ich keine Ruhe mehr finden. Meine Gedanken würden sich ständig um die beiden Blutsaugerinnen drehen, wobei Justine Cavallo eine besondere war, weil sie sich auch tagsüber normal bewegen konnte.
Was hatte sie nur dazu getrieben, sich diese Claudine van Straaten an ihre Seite zu holen?
Ich konnte es drehen und wenden wie ich wollte. Ich begriff die Handlungsweise der Cavallo nicht.
Okay, ich wusste jetzt Bescheid. Aber dabei sollte es nicht bleiben. Ich wollte Jane Collins informieren. Die musste Bescheid wissen, denn sie hatte in unserem letzten Fall eine wichtige Rolle gespielt.
Ich rief sie an, und sie hatte auf ihrem Display gesehen, wer etwas von ihr wollte.
»Hi, John, was gibt es? Ich könnte mir vorstellen, dass wir gemeinsam zum Essen gehen und…«
»Ich glaube nicht, dass wir da großen Appetit hätten.«
»Das hört sich nicht gut an.«
»Das ist es auch nicht. Ich habe soeben einen Anruf von unserer verschwundenen Freundin erhalten.«
»Justine?«
»Wer sonst?«
Jane stöhnte auf. »Jetzt sag nicht, dass sie erklärt hat, es sei alles normal und sie würde gern wieder zu mir zurückkehren.«
»Das hat sie nicht gesagt.«
»Sondern?«
Ich berichtete ihr und vergaß auch nicht, mit welcher Freude sie über ihre neue Verbündete gesprochen hatte.
»Oh«, murmelte Jane, »dann hat sie die Domina nicht entsorgt?«
»So sieht es aus.«
»Dann stellt sich die Frage, was sie vorhat.«
»Das ist ein großes Rätsel«, gab ich zu. »Jedenfalls vermute ich, dass sie einen Plan hat. Sonst hätte sie das Gleiche mit Claudine getan wie mit allen anderen Opfern.«
Jane fing plötzlich an zu lachen, was mich etwas irritierte. »He, was ist los? Macht es dir so einen Spaß?«
»Nein, das nicht. Mir schoss nur soeben ein Gedanke durch den Kopf. Was wäre, wenn sich die Cavallo in unsere Domina verliebt hätte?«
»Du bist verrückt«, erwiderte ich spontan.
»Wieso? Ist das so unwahrscheinlich?«
»Und ob, denn Vampire haben keine Gefühle. Das solltest du wissen.«
»Im Prinzip stimmt das. Nur will ich unsere Freundin nicht mit normalen Maßstäben messen. Wenn es so sein sollte, dass sie in der van Straaten eine Mitstreiterin gewonnen hat, dann setze ich darauf, dass sie nicht mehr zu mir zurückkehrt, sodass ich meine Ruhe habe. Ist doch nicht schlecht, oder?«
»Stimmt.«
»Okay, dann warten wir einfach ab.«
So locker wie Jane Collins sah ich die Lage nicht. Ich glaubte nicht daran, dass jemand wie die Cavallo untätig bleiben würde. Sie war nicht der Typ dazu. Sie würde ihren Part durchziehen, koste es, was es wolle.
Und sie handelte nie ohne Plan. Sie brauchte die Aktion wie auch ihre Ruhephasen. Da sie jetzt nicht mehr allein war, würde sie Zeichen setzen.
Hinzu kam noch etwas, das mir ein leichtes Magendrücken verursachte.
Claudine van Straaten war längst aus ihrer Starre erwacht. Wenn das eingetreten war, verspürte sie die erste Gier. Dann musste sie einen Menschen anfallen und ihn leer trinken, und Justine Cavallo würde sie daran nicht hindern.
»He, du bist so schweigsam, John.«
»Ich denke nach.«
»Worüber?«
Ich sagte es ihr, und die Detektivin gab zunächst keine Antwort. Ich hörte nur ihr leises Stöhnen und danach ihre etwas schwache Stimme.
»Ja, du hast recht. Wir müssen uns immer wieder klarmachen, dass sie nach ihren Gesetzen handeln.«
»Eben, Jane. Und ich weiß nicht, wo sie
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