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165 - Am heiligen Berg

165 - Am heiligen Berg

Titel: 165 - Am heiligen Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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lächelte böse.
    Sieh dir deine vermummten Schergen noch einmal genau an, Ki Ling!, dachte er. Wenn die Tschinnaks zu dir zurückkehren, wird ihre Gleichheit unverändert sein – aber die Leute unter den Masken sind dann nicht mehr dieselben!
    Auf dem Ritt zum Stadtrand wurde Quong Ho von zahlreichen Menschen überholt. Sie sahen krank aus.
    Dennoch rannten sie in der Gluthitze zu den Toren, und Quong Ho staunte nicht schlecht, als er den Grund dafür entdeckte. Auf einem schattigen Steinhaufen, zwischen Unkraut und faulendem Abfall, stand ein Schamane. Er war alt und weißhaarig und hielt mit knochiger Hand einen Wanderstab fest.
    »Das Ende ist nahe!«, rief er und zeigte in die Stadt hinein.
    »Ein unseliger Geist hat sich hier eingenistet! Er streift schon um eure Hütten und sucht nach euch! Flieht, so lange ihr noch könnt!«
    Einer der Tschinnaks griff nach seinem Schwert. Quong Ho hielt ihn zurück.
    »Wenn du ihn tötest, glauben die Leute, er hätte Recht«, warnte er. »Lass ihn einfach reden! Er hört auch wieder auf.«
    Quong Ho war guter Dinge, als er die Stadt verließ. Er würde ganz sicher nicht nach Ti'bai reisen! Da waren Stimmen in der Menge gewesen – leise zwar und unsicher, aber die Worte ließen hoffen: Der Himmlische Hüter ist an allem Schuld!
    Ki Ling braucht das sanshi nicht mehr!, dachte Quong Ho zufrieden. Des Kaisers neue Kleider werden ein Totentuch sein!
    ***
    Mai 2522
    Nüsse, getrocknete Beeren und eine zerhackte Zumutung, die sich haafa nannte! Aruula starrte ungläubig auf ihr Frühstück.
    »Das esst ihr wirklich jeden Tag?«, fragte sie erschüttert.
    Tandra Meeru legte seinen Holzlöffel beiseite, ergriff einen Krug und goss klares Wasser in Aruulas Schüssel: »Du musst es verrühren«, sagte er. »Versuche es! Diese Mahlzeit ist gesund und nahrhaft!«
    »Das sind Wollhasen auch«, platzte die Barbarin heraus, ohne nachzudenken. Entsprechend beschämt senkte sie den Kopf. Es war nicht recht, etwas zu kritisieren, das andere mit ihr teilten.
    Zum Glück hatte niemand außer Tandra Meeru ihre Worte verstanden. Aruula sah sich verstohlen um, während sie ihre Holzschüssel nahm und zu löffeln begann. Sie befand sich in einem Saal an der Westseite des Klosters, der erstaunlich war und unheimlich zugleich. Es gab eine übergroße gemauerte Herdstelle, von geschwärzten Steinstatuen flankiert. Aus den Wänden ragten Vorsprünge, und auch dort standen merkwürdige Wesen aus Stein. Sie schienen die Mönche zu beobachten, die sich in zwei langen Reihen gegenüber saßen, auf dem Boden, mit gekreuzten Beulen.
    Das Erstaunlichste aber war die Decke! Aruula bog den Kopf zurück. Jemand hatte in schwindelnder Höhe einen Riesen gemalt. Er war umgeben von Fabelwesen und Landschaften und seltsamen Zeichen, und man konnte überall auf dem verwitterten Bild noch Reste von Farben erkennen.
    »Ist das ein Gott?«, fragte Aruula leise, damit der riesige Mann es nicht hörte.
    »Das wissen wir nicht«, sagte Tandra Meeru. »Er war schon hier, bevor es uns gab.«
    »Dann gehört das Kloster also ihm?«
    »Nein.« Tandra Meeru schüttelte den Kopf. »Shi'gana gehört sich selbst! Es ist ein heiliger Ort.« Er lächelte. »Wenn du möchtest, zeige ich ihn dir.«
    »Ja, warum nicht«, sagte Aruula abwesend. Sie hatte Yinjo erspäht. Er stand mit einem Mönch am Kopfende des Raumes. Der Mönch hatte ihm einen Arm um die Schultern gelegt und zeigte auf die leeren Holzschüsseln. Anscheinend wollte er, dass Yinjo sie einsammelte. Aruula winkte ihm zu, doch der Junge reagierte nicht. Stattdessen senkte er den Blick und wurde starr.
    Eine Schüssel nach der anderen hob sich vom Boden und schwebte davon – vorbei an unbeteiligt dreinblickenden Mönchen und in langer Reihe auf Yinjo zu. Sie stapelten sich scheinbar von alleine vor ihm auf und sanken herunter in seine ausgestreckten Hände. Als sie sie erreichten, klatschte einer der Mönche hart und rief Yinjos Namen. Der Junge fuhr hoch wie aus einem Traum.
    Das Geräusch zu Boden prasselnder Holzschüsseln war noch nicht verklungen, da hatte Aruula schon Tandra Meerus Arm gepackt. »Du hast gesagt, hier gäbe es keine Dämonen!«, zischte sie ihn an.
    »Gibt es auch nicht.« Tandra Meeru legte seine Hand auf ihre Faust. Die Barbarin riss sie zurück, und er lächelte. Man sah ihm an, dass Aruula ihn faszinierte. Er erklärte: »Es war der Junge, kein Dämon! Yinjo hat eine besondere Fähigkeit, deshalb haben seine Eltern ihn zu uns geschickt. Wir

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