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165 - Am heiligen Berg

165 - Am heiligen Berg

Titel: 165 - Am heiligen Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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an den Mund und brüllte:
    »Ping!«
    Sofort huschte ein Lakai herein. Der Kaiser bestellte Essen für sich, winkte die Hofschranze fort und erklärte Quong Ho: »Sie heißen jetzt alle Ping. Natürlich nicht wirklich, aber ich nenne sie so. Gleichheit ist praktisch! Wenn ich rufe, kann ich sicher sein, dass immer jemand kommt. Und nun erzähl mir, wie es in Induu war – und warum du nur so wenig sanshi mitgebracht hast!«
    »Es ist unermesslich teuer«, sagte Quong Ho. Dann berichtete er von den Händlern in Patma. »Sie kaufen das sanshi in Ne'pa, auf dem Markt von Katman'duu. Aber da kommt es nicht her. Hinter Ne'pa liegt angeblich ein weiteres Land. Es heißt Ti'bai, und dort soll es Vögel geben, die den Faden produzieren, aus dem sanshi gewoben wird.«
    »Vögel«, wiederholte Ki Ling mit einem Gesicht, als hätte er auf kalte Schnecken gebissen.
    Quong Ho nickte. »Sie werden Seidentänzer genannt.«
    »Aha. Und? Hast du sie dir angesehen, diese –Fadenvögel?«, fragte Ki Ling giftig.
    »Seidentänzer«, verbesserte Quong Ho und schüttelte den Kopf. »Nein, habe ich nicht. Die Gegend ist voller Berge. Es ist eiskalt da oben, und ich hatte keine Lust, nur auf das Wort eines Händlers hin solche Strapazen auf mich zu nehmen.«
    »Aber auf mein Wort«, sagte Ki Ling. »Reite nach Ti'bai und schaff mir diese Vögel her, lieber Vetter! Und zwar gleich!«
    Die Tschinnaks wagten zu protestieren. Man solle besser bis zum Frühling warten, erklärten sie dem Kaiser. Es sei zu spät im Jahr, Ti'bai würde schon bald in Schnee und Eis versinken. Und die Pferde brauchten eine Ruhepause.
    Quong Ho lauschte dem Gejammer und spielte derweil mit einem kühnen Gedanken. Sein verdammter Vetter ließ ihn noch immer nicht nahe genug an sich heran – im Gegenteil: Ki Ling hatte die Sicherheitsvorkehrungen noch verschärft. Man musste jedweden Schmuck ablegen und sich bis auf die Pluderhose entkleiden, ehe man ihm gegenüber treten durfte, da war es nicht einmal mehr möglich, eine mit Gift gefüllte Ziermuschel mitzubringen.
    Von den Hofschranzen war auch keine Hilfe zu erwarten.
    Wie man an den satten Mienen und der prunkvollen Kleidung erkennen konnte, kochten sie längst ihr eigenes Süppchen. Dass einer von ihnen Ki Ling töten würde, um sich selbst in dieses Amt zu heben, war unwahrscheinlich – denn das wollten sie alle, und so belauerten sie sich gegenseitig Tag und Nacht. Der Kaiser konnte nicht besser geschützt sein. Also musste man zusehen, dass er einen Fehler machte.
    Quong Ho räusperte sich und zeigte auf die Tschinnaks.
    »Diese Kerle haben mir die ganze Reise über das Leben schwer gemacht«, sagte er. »Ich konnte nirgends verweilen oder mal meinen eigenen Interessen nachgehen, weil sie unbedingt zurück wollten zu ihrem innig geliebten Himmlischen Hüter, Stimmt doch, oder?«
    »O ja! Ja!«, riefen die Tschinnaks eifrig und warfen sich Ki Ling zu Füßen. Es war erniedrigend, aber immer noch besser als eine Reise nach Ti'bai. Der Kaiser zögerte.
    Quong Ho legte seinen Köder aus.
    »Lass sie bei dir bleiben, Vetter! Ich nehme dann eigene Leute mit nach Ti'bai.«
    Quong Ho sah, wie es in Ki Ling arbeitete. Der Kaiser spürte, dass etwas faul war – er bekam es nur nicht zu fassen. Doch zuletzt huschte ein triumphierendes Lächeln um seine Mundwinkel.
    »Überaus großzügig von dir, lieber Vetter«, sagte er.
    »Und meinetwegen: Die Männer bleiben hier.« Ki Ling wartete einen Moment. Als er merkte, dass Quong Ho die Luft anhielt, vertiefte sich sein Lächeln, und er fügte hinzu:
    »Aber deine Leute auch! Du holst dir ein paar Tschinnaks vom Außendienst, und die nimmst du mit. Wie gehabt.«
    Quong Ho biss sich auf die Lippen. Es sah aus, als wäre er enttäuscht, und das sollte es auch.
    Später, als er den Palast verließ und der Kaiser vom Fenster aus zusah, wie sich ein paar Schwarzvermummte zur Musterung aufstellten, trat Quong Ho unauffällig neben den wartenden Tao.
    »Wie gut bist du im Improvisieren?«, fragte er leise.
    »Weiß nicht«, sagte Tao.
    Quong Ho nickte. »Dann finden wir es jetzt heraus! Reite, so schnell du kannst, zu den Roten Hängen. Ruf die Familie zusammen und…« Quong Ho flüsterte etwas. Kurz nur, dann wandte er sich den Tschinnaks zu, schritt die Reihe ab und zeigte dabei wahllos auf einzelne Gestalten. Sie sahen alle gleich aus mit ihren vermummten Gesichtern. Was hatte Ki Ling gesagt? Gleichheit ist praktisch! Quong Ho blickte zu den kaiserlichen Fenstern auf und

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