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165 - Am heiligen Berg

165 - Am heiligen Berg

Titel: 165 - Am heiligen Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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– so war es geplant – würde er den Palast aufsuchen und dafür sorgen, dass der Kaiser einem Unfall erlag. Niemand würde Verdacht schöpfen, solange Quong Ho in der Begleitung von Tschinnaks war. Dass sich hinter deren Gesichtstüchern die Familie Quong Hos verbarg, konnte keiner erahnen. Und die echten Tschinnaks würden es keinem sagen. Sie düngten den Mohn.
    Es war unnatürlich still in der Stadt. An manchen Ecken lagen zugenähte Leinentücher, unter denen sich menschliche Konturen abzeichneten. Regen tropfte auf sie herab. Hin und wieder huschte jemand vorbei und verschwand in einer der Hütten. Regen hatte deren Schilfmatten aufquellen lassen; sie faulten, und es lag ein übler Geruch über allem.
    »Der Schamane hat die Wahrheit gesagt!«, murmelte Quong Ho. »In der Stadt haust ein böser Geist.«
    Tao sah sich unruhig um. Konnte er die Bestie irgendwo entdecken? War sie am Ende auch hinter ihm her?
    Die Cinnesen hatten keine Erklärung dafür, was in Shen Chi geschah. Ihr Weltbild war von Aberglaube und Ängsten geprägt, und so hielten sie das Massensterben in den Hütten für die Tat eines Dämons. Tatsächlich aber ging eine Krankheit um, die schon immer dort gewütet hatte, wo Menschen eng zusammengepfercht unter unhygienischen Bedingungen leben mussten und das Trinkwasser kaum mehr als eine bessere Kloake war: Cholera.
    Dass so viele Stadtbewohner weggerafft wurden, lag an deren allgemein schlechten Verfassung. Ki Ling hatte seine Untertanen zu sehr ausgeblutet. Immer höhere Steuern und Abgaben, immer neue Forderungen – sie besaßen nichts mehr, das sie hätten abgeben können. Während der Kaiser in seinem beheizten Palast saß und von sanshi träumte, starb das Volk in den klammen, kalten Schilfhütten einen qualvollen Tod.
    »Wir müssen etwas tun!«, sagte Tao.
    Quong Ho nickte. »Ja. Am Leben bleiben.«
    Sein junger Vetter riss sich das Tuch vom Gesicht. »Bei allen heiligen Drachen, Quong Ho! Wenn du noch lange wartest, wird niemand mehr da sein, den du regieren kannst!«
    Quong Ho zügelte sein Pferd. »Wenn ich nicht warte, bin ich ein toter Mann!« Er wies auf den Palast, vor dem noch immer Wachen standen. »Hinter diesen Mauern wohnt ein ganzer Hofstaat, Tao! Leute, die aus einer Schüssel mit dem Kaiser essen – und zwar reichlich! Da kannst du nicht einfach hineingehen: Tretet bei Seite, ich wil an die Macht! Glaubst du ernsthaft, sie würden gehorchen?« Quong Ho schüttelte den Kopf. »Nein, mein Freund, solche Dinge müssen geplant werden! Du musst die richtigen Leute töten, die Richtigen bestechen und dem Rest etwas bieten, das ihnen Hoffnung vorgaukelt. Komm, wir reiten nach Hause!« Er stutzte. »Und zieh das verdammte Tuch wieder hoch!«
    ***
    Mai 2522
    Bis zum Abend des zweiten Tages kannte Aruula alle Geheimnisse von Shi'gana. So glaubte sie zumindest. Auf die Besichtigung der unterirdischen Arbeitsräume der Mönche hatte sie verzichtet. Die Tür war frei zugänglich, und es drangen Geräusche heraus, die wirklich nicht geheimnisvoll klangen.
    Der Daa'murenkristall war tatsächlich der einzige weit und breit. Er schien niemanden im Kloster mental zu beeinflussen. Alles, was er tat, war einsam vor sich hin zu leuchten – und ungebetene Gäste fern zu halten! Trotzdem war er Aruula suspekt; sie fühlte sich einfach nicht wohl in seiner Nähe.
    Nun schlenderte die junge Barbarin mit ihrem Begleiter über die Grasflächen auf dem Klosterhügel. Sie lagen in einer Mulde, von zerklüfteten Felsen umrahmt, und waren von der Ebene aus nicht zu sehen. Mehr und mehr Pilger trafen dort ein.
    Aruula war erstaunt. Die Leute mussten lange unterwegs gewesen sein, denn rings um Shi'gana war nur leeres Land.
    Manche sahen nicht einmal aus wie Ti'baitis, sie kamen vermutlich aus Ne'pa. Aruula entdeckte sogar zwei Induus – und die hatten wirklich eine beschwerliche Reise hinter sich, das wusste sie aus eigener Erfahrung! Aber entfachten die Pilger vielleicht ein Lagerfeuer? Aßen sie etwas oder legten sich ins sonnige Gras? Nein! Sie wandten sich nach Osten, breiteten die Hände aus und murmelten etwas, das wie omm mani-mun klang. Wieder und wieder. Ohne Ende.
    »Wann beginnt das Fest?«, fragte Aruula.
    Tandra Meeru sah sie erstaunt an. »Das ist das Fest!«
    »Herumstehen und manimu singen ist ein Fest?« Die Barbarin lachte ungläubig. Ein Vogel flatterte vorbei, den Schnabel voller Halme. Einer landete auf Aruulas Haar.
    Tandra Meeru blieb stehen und zog ihn fort.
    »Mani-mun!«,

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