Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
165 - Am heiligen Berg

165 - Am heiligen Berg

Titel: 165 - Am heiligen Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
Vom Netzwerk:
Händen.
    Aruula genoss die warme Frühlingsluft, den Sonnenuntergang und Tandra Meerus Verlegenheit. Er war nett, auch wenn er eine seltsame Einstellung zu den Göttern hatte. Aber vielleicht wurde man ja so, wenn man seine Nächte allein verbrachte.
    Lächelnd hob die Barbarin zu einer Frage an – und horchte auf. Da waren Geräusche im Wind: Schritte, Schnaufen und gemurmelte Unterhaltung. Es kam von unterhalb der Mauer, nicht von der Treppe. Wer schlich da herum? Tschinnaks? Aruula zog das Schwert.
    »Nicht! Bitte!«, rief Tandra Meeru leise, während er nach ihrem Handgelenk griff. Er hielt es einen Moment länger fest, als es nötig gewesen wäre. »Es sind Pilger! Sie kommen zum Talumpo-Fest. Bitte erschreck sie nicht mit dieser Waffe!«
    Aruula befreite sich etwas schroff. Sie schob ihr Schwert zurück, trat an die Mauer und blickte über den Rand. Der Hügel sah von oben aus wie ein Haufen Taschen. In einige konnte man hineinschauen, aber die Meisten waren schwarz und scheinbar ohne Boden. Zwischen diesen Abgründen schlängelte sich ein Pfad herauf. Sein Anfang ließ sich nicht erkennen. Aruula vermutete, dass er auf der anderen Seite des Hügels lag. Nachdenklich musterte sie die näher kommende Prozession. Es waren einfach gekleidete Menschen. Keiner von ihnen sah aus, als wäre er jemals satt geworden. Dennoch wirkten alle zufrieden.
    Plötzlich verschwanden die Leute außer Sicht.
    Tandra Meeru kam Aruulas Frage zuvor. »Der Pfad ist durch Tiere entstanden, die zu den Grasflächen an der Südseite des Hügels wollten. Er führt hier vorne durch einen Hohlweg, und über den wurde später die Treppe gebaut.«
    »Man kommt ungesehen ins Kloster?« Aruula runzelte die Stirn. »Das ist schlecht! Aber zum Glück habt ihr den Jungen! Wann werdet ihr ihm beibringen, gegen die Tschinnaks zu kämpfen?«
    »Yinjo soll lernen, seine Macht zu beherrschen«, sagte Tandra Meeru freundlich.
    »Das meinte ich ja.« Aruula beugte sich über die Mauer, um nach weiteren Pilgern zu sehen. »Wenn er Holzschüsseln durch die Gegend zaubern kann, wird er auch lernen, dasselbe mit Schwertern zu tun. – Was ist das?«, fügte sie erstaunt hinzu und zeigte auf eine Felsentasche unterhalb des Pfades. Sie war groß und dunkel. Etwas schimmerte aus der Tiefe.
    Tandra Meeru trat neben sie. »Das ist ein unbekanntes Tier. Wir sind mal zu ihm hinab gestiegen. Es war anscheinend ein Menschenfresser! In seinem Inneren liegen noch Knochen und Schädel. Wir vermuten, dass es bei der Jagd gegen die Felsen geprallt ist, denn die Flügel auf seinem Kopf sind gebrochen. Aber du brauchst keine Angst zu haben: Es ist tot!«
    Angst! Die Barbarin lachte lautlos. Sie hatte ganz sicher keine Angst vor dem Ding da unten! Es war eine Maschine, das konnte sie erkennen. Irgendwas, das flog – anders wäre es nicht so hoch auf den Hügel gekommen. Es hatte Sichtkuppeln, ähnlich wie ein EWAT. Drei der Scheiben waren noch erhalten. Aruula wandte sich ab. Maddrax hätte bestimmt gewusst, was das war! Er kannte sich aus mit fliegenden Maschinen. Eine hatte ihn in Aruulas Welt getragen. Eine andere in den Tod.
    Verfluchte Tekknik!, dachte sie und ging.
    ***
    September 2521
    Es regnete, als Quong Ho nach Shen Chi ritt, und so trostlos wie das Wetter war auch der Anblick ringsum. Die riesigen Liitsa-Felder waren verkommen, die Straße von Pfützen und welkem Laub übersät. Wasserspinnen hatten sich im toten Schilf des Yang-Yang angesiedelt. Man hörte sie zirpen, wenn ein verendetes Tier vorbei trieb. Sie zirpten oft.
    Quong Ho und Tao kamen alle paar Wochen nach Shen Chi. Anfangs, um zur Stelle zu sein, wenn es dem Kaiser an den Kragen ging. Inzwischen aber konnten die beiden nicht mehr sagen, warum sie diese gefährlichen Ausflüge unternahmen. Ki Ling saß noch immer auf dem Thron – verschanzt hinter Palastmauern – und Shen Chi war eine sterbende Stadt.
    Tao zog sein Gesichtstuch hoch, als er durch die Tore ritt.
    Er trug die Kleidung eines der Tschinnaks, mit denen Quong Ho im Sommer nach Ti'bai reisen sollte. Ho hatte sie mit der Aussicht auf Proviant und Ersatzpferde zu den Roten Hängen gelockt, wo seine Familie bereits die Schwerter schärfte.
    »Ohne dich wäre ich jetzt im Gebirge unterwegs!«, sagte er unfroh.
    Sein Vetter winkte ab. »Es war deine Idee.«
    Tao hatte die Familie rechtzeitig vorgewarnt, und so war nach einem heißen Gefecht die Reise vom Tisch. Quong Ho musste jetzt nur lange genug untertauchen. Irgendwann im nächsten Sommer

Weitere Kostenlose Bücher