1651 - Am Rand der Großen Leere
abzustreifen. Er schlug ihn gegen die Schränke, indem er sich heftig drehte, und als er auch damit nichts erreichte, streifte er sich schließlich einfach die Hose ab. Seltsamerweise hatte er damit Erfolg. Er konnte sich von dem Stuhl lösen.
Ratlos stand er mitten im Raum, versuchte, seine Hose vom Stuhl abzuziehen, und versetzte dem Möbelstück einen Fußtritt, als ihm das nicht gelang. Verstört stopfte er sich sein Hemd in die knielangen, gelben Unterhosen. Dann legte er hilflos die Hände an die Wangen und blickte sich um. „Voltago!" schrie er erschrocken auf, als er die dunkle Gestalt des Kyberklons bemerkte.
Er wurde sich bewußt, welch lächerlichen Anblick er in seiner gelben Unterhose bot. Sie reichte ihm nicht nur bis an die Knie heran, sondern war dazu auch viel zu groß für ihn. Er wählte immer wieder diese Größe, weil er sie als besonders bequem empfand.
Eneaphus Avenquerius hatte nicht bemerkt, daß Voltago hereingekommen war. „Ich glaube, ich werde verrückt", stammelte er. „Hier geht alles drunter und drüber."
Er bückte sich, nahm seine Hose und streifte sie sich über. Erst dann stutzte er, weil ihm auffiel, daß er sie mühelos vom Stuhl hatte lösen können. Nun blieb nur noch das Loch im Fußboden als Zeugin der seltsamen Ereignisse zurück. „Ich habe..." Er hüstelte verlegen und fuhr sich mit beiden Händen durch das dünne Haar. Sein rundes Gesicht rötete sich. „Also, wie soll ich erklären, was hier passiert ist? Ich ..."
Voltago blickte ihn mit ausdruckslosen Augen an, und Avenquerius hatte das Gefühl, daß er ihn gar nicht wahrnahm. „Hörst du mir überhaupt zu?" Ihm fiel ein, daß der Kyberklon gesucht wurde. Mit einer übertriebenen Geste schlug er sich die Hand vor die Stirn. „Das hätte ich last vergessen. Perry sucht dich. Er hat dich ausrufen lassen. Du sollst dich sofort bei ihm mel..."
Er verstummte, denn Voltago glitt lautlos an ihm vorbei und ging in den Nebenraum. Die Tür schloß sich hinter ihm.
Der Wissenschaftler fuhr sich mit beiden Händen über die Augen. Er stöhnte leise und fragte sich, ob sich sein Geist verwirrt hatte. „Das kann doch alles nicht wirklich gewesen sein", sagte er und öffnete die Tür zum Nebenraum, um noch einmal den Versuch zu machen, mit Voltago zu reden.
In der Tür blieb er stehen. Nun begann er sich ernsthaft Sorgen um seinen Geisteszustand zu machen.
Der Raum war leer, obwohl er nur einen Zugang besaß. Voltago hätte im Raum sein müssen, da er keine Möglichkeit hatte, ihn durch eine zweite Tür zu verlassen. Doch er war nicht da. Er schien sich in Luft aufgelöst zu haben.
Nachdem Eneaphus Avenquerius seinen ersten Schreck überwunden hatte, begann er die Schränke des Raumes zu untersuchen. Einige von ihnen wären groß genug für eine Gestalt wie Voltago gewesen. Doch seine Suche war vergeblich. Der Kyberklon war nicht da. Ächzend ließ sich der Wissenschaftler auf einen Stuhl sinken. „Das kann ich doch niemandem erzählen", seufzte er. „Die würden mich doch glatt in die Klapsmühle stecken - und hätten sogar recht damit."
Als er einen Reparaturroboter bestellte, um den Fußboden wieder in Ordnung bringen zu lassen, zitterten ihm die Hände. Er war froh, daß der Roboter gleich darauf kam und er das Labor verlassen konnte, um sich zur GEVONIA zu begeben. „Hi, Ene", begrüßte ihn Cyrus Morgan, als er wenig später in einen Antigravschacht stieg.
Zusammen mit ihm sank er nach unten.
Avenquerius hatte seinen Schock mittlerweile überwunden, und je mehr er sich erholte, desto mehr setzte sich der Wissenschaftler in ihm durch. Er bemühte sich um eine Analyse des Geschehens, kam jedoch nicht zu einem befriedigenden Erfolg. „Ich muß dir was erzählen, Cy", sagte er, als sie den Schacht verließen. „Ich habe eben etwas erlebt, was ich normalerweise ins Reich der Märchen verweisen würde."
Er schilderte, was vorgefallen war. Morgan hörte ihm ruhig zu, blickte ihn jedoch einige Male ebenso prüfend wie skeptisch an. „Bist du sicher, daß du nicht ungewollt irgendwelche Halluzinogene genommen hast?" erkundigte er sich. „Ausgeschlossen!"
„Sie könnten im Essen oder in einem Getränk versteckt gewesen sein."
Eneaphus Avenquerius schüttelte energisch den Kopf. Er bedauerte bereits, daß er überhaupt etwas gesagt hatte. „Gibt es jemanden an Bord, der dir möglicherweise einen Streich spielen wollte oder der dir eins auswischen möchte?"
Der kleine Wissenschaftler dachte spontan an Nemus
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