1651 - Höllenkreis
Das sprengte meine Vorstellungskraft. Andererseits war dieses Wesen kein normaler Mensch, auch wenn es so aussah. Dahinter steckte einfach mehr, und wer konnte schon sagen, was tatsächlich zwischen den beiden vorgefallen war. Ich hoffte, dass Otto doch noch mehr wusste. Ich konnte mich mit ihm beruhigt beschäftigen, denn Suko hatte sich wieder umgedreht und hielt diese Celina unter Kontrolle.
»Wissen Sie vielleicht doch noch etwas über die beiden?«
Der Tätowierte sagte zunächst nichts. Seine Sicherheit hatte er verloren. Er stand da wie ein Häufchen Elend, und auf seinem Gesicht war die Haut straff gespannt. Es war zu sehen, wie er um eine Antwort rang, ohne sie aussprechen zu können.
»Denken Sie nach, Otto!«
»Ja, ja, mache ich ja. Aber das ist so unheimlich so habe ich sie nie gesehen.«
»So nackt, meinen Sie?«
»Ja, genau, so nackt.«
»Was haben Sie überhaupt gesehen? Können Sie sich an etwas Bestimmtes erinnern?«
Er senkte den Blick. »Wir waren ja nie zusammen«, gab er zu. »Ich habe sie nur gesehen und nicht angesprochen. Ich konnte mich nur über Celina wundern.«
»Was hat denn Adrian über sie gesagt?«
»Nichts.« Otto hob die Schultern. »Wir hatten kaum Kontakt. Kann auch sein, dass er sie vor mir versteckt gehalten hat. Mehr weiß ich nicht.« Er rang nach Atem. »Aber jetzt bin ich fertig. Wo kommt sie her? Wie ist das möglich? Ist sie ein Mensch, der in der Erde gelebt hat?«
Ich sagte: »Wir wissen es nicht, und Sie sollten sich auch nicht weiter darum kümmern. Bitte, verlassen Sie den Raum. Es ist besser für Sie.«
Otto überlegte noch, dann nickte er. Er ging rückwärts, als er wieder in den Vorraum abtauchte und aussah, als würde er sich dort auflösen.
Ich wandte mich wieder Celina zu. Ihre Sitzhaltung hatte sie nicht verändert. Sie saß da, hielt den Kopf leicht angehoben und schaute uns von unten her schräg an. Ihr Gesicht blieb weiterhin ausdruckslos. Es lag kein Lächeln auf den Lippen, und auch der Ausdruck der Augen blieb völlig neutral.
Deshalb machte sie nicht den Eindruck, als ob sie etwas von uns wollte. Über ihr neutrales Verhalten konnten wir uns schon wundern, und wenn Celina nichts tat, würden wir etwas unternehmen müssen.
Bisher hatten weder Suko noch ich den Kreis betreten, aber das sollte sich ändern, denn wir wollten auf Tuchfühlung mit dieser Person gehen.
Auf der anderen Seite durften wir nicht vergessen, dass sie Adrian Cox getötet hatte, und das auf eine Weise, die ziemlich brutal gewesen war. Der Dealer war verbrannt worden, und das nicht durch ein normales Feuer. Demnach musste etwas in ihr stecken, das im wahrsten Sinne des Wortes brandgefährlich war. Mir fiel ein, dass ich schon gegen die schrecklichsten Wesen und Kreaturen gekämpft hatte. Wenn ich sie mit Celia verglich, war sie ein völlig harmloses Geschöpf. So sah sie zumindest aus Aber ich durfte mich auf keinen Fall davon täuschen lassen. In ihr steckte etwas Böses, das nicht in dieser Welt geboren war. Aibon war ein Reich zwischen den Welten. Der Legende nach war es entstanden, als sich Himmel und Hölle trennten, als Luzifer, der wie Gott sein wollte, durch den Erzengel Michael in die allertiefste Finsternis gestoßen worden war. Mit ihm waren zahlreiche seiner Diener in der Hölle wieder erwacht, aber nicht alle hatten sie erreicht. Einige von ihnen waren unterwegs verloren gegangen und hatten das Reich zwischen den Welten erschaffen. Aus den gefallenen Engeln wurden andere Wesen. Feen, Elfen, Trolle und Eiben.
Aibon war auch Heimat der Druiden, der Eichenkundigen. Hier in Aibon entstanden sie. Das geschah im positiven, im grünen Teil dieses Paradieses, eine Welt der Wälder, Seen und Hügel. Woher diese Celina kam, war mir nicht klar. Sie sah aus wie ein kleines Aibon-Wunder, aber dieser Anblick konnte auch täuschen. Hinter manch schöner Maske verbarg sich das Grauen. Und nun hockte sie in diesem Höllenkreis und schien auf etwas zu warten. Sie hatte sich gezeigt. Wahrscheinlich war ich der Grund, weil sie sich an mich erinnert hatte, und ich wurde den Eindruck nicht los, dass sie ihren Blick auf mich gerichtet hielt, als wollte sie mich zu irgendetwas auffordern.
Ich nickte ihr zu und lauerte dabei auf eine Reaktion ihrerseits. Sie erfolgte tatsächlich, denn in ihrem Gesicht entdeckte ich ein leichtes Zucken.
Obwohl ich die Antwort schon wusste, fragte ich sie: »Kannst du mich verstehen, Celina?«
Wenn sie Adrians Freundin gewesen war, hatte sie sich
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