1654 - Komm in meine Totenwelt
Entspannung, als Suzie leicht zusammensackte. Das glich mehr einem Erschrecken. Dann flüsterte sie: »Ich kenne Mara King. Was ist mit ihr?«
Wir schauten uns an. Jeder tat sich schwer, die Wahrheit zu sagen. Das übernahm schließlich Suko.
»Sie ist tot…«
Mehr musste er nicht sagen. Diesmal staunte Luzie Carpenter nicht. Es war nur ein Stöhnen zu hören, und dann presste sie ihre Hand gegen den Mund.
»Woher kennen Sie sie?«, fragte ich.
Darauf bekam ich keine Antwort. Suzie wollte wissen, wer sie getötet hatte. »Oder läuft der Mörder noch frei herum?«
»Das ist zu befürchten«, gab ich zu.
»War sie - ist sie - hat sie…«
Es hatte keinen Sinn, wenn ich die Wahrheit verschwieg. Sie bekam zu hören, wie ihre Bekannte ums Leben gekommen war. Und es war auch gut, dass sie Bescheid wusste.
»Erst sie, dann ich…«
Die Antwort bestand nur aus einem Flüstern. »Und andere auch?«
»Das wissen wir nicht«, gab ich zu. »Aber wir denken schon darüber nach, wie so etwas passieren konnte. Haben Sie eine Ahnung? Es muss doch eine Verbindung zwischen Mara King und Ihnen geben. Oder liege ich da falsch?«
Suzie Carpenter senkte den Kopf. »Nein, nein, Mr. Sinclair, so falsch liegen Sie da nicht. Es gibt eine Verbindung zwischen uns.« Was sie in den folgenden Sekunden sagte, das ließ uns aufhorchen.
»Wir habe beide ein Ehrenamt übernommen. Wir arbeiten in einem Hospiz für Menschen, die dort liegen, weil es keine Rettung mehr für sie gibt. Wir geben ihnen ein wenig Trost in ihren letzten Tagen. Die meisten sind völlig einsam. Sie haben keine Verwandten, die sie besuchen. Wir versuchen, ihnen ein wenig Würde zu geben, indem wir mit ihnen sprechen. Nicht immer über den Tod, auch oft über das Leben.«
»Das ist doch sehr ehrenvoll«, sagte Suko.
»Ja, und es ist nicht leicht, wenn man den Menschen zuhört. Der Tod steht bereits unsichtbar an ihren Betten. Es ist nur immer eine Frage der Zeit, wann er zuschlägt.«
»Wie verhalten sich die Menschen, die wissen, dass sie bald sterben müssen? Können Sie dazu etwas sagen?«
Mrs. Carpenter schaute mir in die Augen. Ich sah keine Falschheit in ihrem Blick.
»Es ist nicht immer leicht«, erklärte sie mit leiser Stimme. »Manche Menschen sind nahezu glücklich. Andere wiederum haben Angst, ganz schreckliche Angst. Ich hatte hin und wieder das Gefühl, dass sie bereits auf dem Weg ins Jenseits waren und dort etwas Schlimmes gesehen hatten. Sie waren dann froh, noch zu leben, aber ihre Eindrücke haben sie nicht vergessen.«
»Und was haben sie dort gesehen?« Ich hatte plötzlich das Gefühl, dass die Antwort auf die Frage sehr wichtig war, und ich hatte mich nicht getäuscht.
»Die Menschen haben sie gesehen…«
Ich verstand, fragte trotzdem: »Rebecca?«
»Ja, und ihren Leibwächter, das Skelett. Die Menschen sprachen von einer Abholerin, die sie schon jetzt auf den Tod vorbereiten sollte. Dass es aber noch zu früh war, und sie nur Angst säen wollte. Wenn die Menschen dann wieder bei klarem Bewusstsein waren, haben sie mit mir darüber gesprochen. Dann konnte ich erleben, was sie durchgemacht haben. Sie haben fürchterlich gelitten, und die Angst vor dem Tod War einfach unbeschreiblich.«
Die Worte hatten Suzie Carpenter aufgeregt. Sie drückte sich zurück in den Sessel, und ein wildes Zucken durchrann ihren Körper. Die Erinnerungen waren schlimm. Ihr Mann warf mir einen bösen Blick zu, bevor er auf sie einsprach und sie bat, sich zu beruhigen.
Das schaffte sie auch.
Ich hörte derweil Suko zu, der mich ansprach.
»Ich denke, dass wir da die Lösung gehört haben. Eine Abholerin, die alles an sich ziehen will. Nicht nur die Menschen, die im Sterben liegen. Sie will auch Frauen wie Mara King und jetzt Suzie Carpenter.«
»Genau. Und was kann der Grund sein?«
»Wir müssen sie fragen.«
Al Carpenter hatte uns zugehört. »Bitte, tun Sie das nicht. Sie sehen doch, was Sie angerichtet haben. Das ist einfach nur grauenhaft, verstehen Sie? Ich will meine Frau behalten. Sie hat genug durchlitten.«
»Ja, das stimmt. Aber wir müssen auch zu einem Ende kommen, Al. Wir können nicht auf halber Strecke stehen bleiben.«
»Und wie sieht der Weg dahin aus?«
»Das kann ich Ihnen sagen. Wir werden diesem Hospiz einen Besuch abstatten. Denn wir sind beide davon überzeugt, dass wir dort die Lösung finden.«
»Bei den Sterbenden?«
»Ja. Oder bei den Sehenden.«
»Aber ich will nicht, dass meine Frau mit Ihnen kommt. Wenn Sie das
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