1654 - Komm in meine Totenwelt
einsteigen. Sie saßen dort wie ein verliebtes Paar, denn Al ließ die Hand seiner Frau nicht los.
Dann ging es los. Der Kampf gegen und mit dem Schnee. Schon bald sahen wir den seltenen Anblick der Räumfahrzeuge, die sich durch die Straßen schoben, was erneut zu Staus führte.
Suko gab trotzdem nicht auf. Und so stiegen wir nicht in eine der völlig überfüllten U-Bahnen, wir kämpften uns weiter voran. Man sollte es kaum glauben, aber wir kamen unserem Ziel tatsächlich näher, wobei der Schnee in der Innenstadt eine andere Farbe bekommen hatte, denn er war grau und wässrig geworden.
Die Klinik lag tatsächlich nicht weit vom Holland Park entfernt. Und das in einer Seitenstraße, deren Fahrbahn mit Schnee bedeckt war, der in der Mitte allerdings flach gefahren war. Die Klinik lag dort, wo sich zwei Straßen aus verschiedenen Richtungen trafen, direkt an einer Ecke und auf einem Grundstück, das weder durch eine Mauer noch durch einen Gitterzaun gesichert war.
Dafür mussten wir über einen tief verschneiten Weg fahren, bis hin zu den Parkplätzen, die es hier geben sollte, von denen aber nicht viel zu sehen war, weil sie unter einer dicken Schneedecke lagen. Frische Spuren gab es dort nicht. Die Fahrzeuge, die dort abgestellt waren, sahen unter der Schneelast alle gleich aus.
Auch wir fanden noch einen Platz, stiegen aus und versanken erst mal bis zu den Knöcheln im Schnee! Die Klinik selbst war kein großes Gebäude. Zum Eingang hin fanden sich Fußspuren im Schnee, und wenn ich einen Vergleich heranziehen wollte, dann sah die Klinik mehr aus wie eine private Villa. Auf einen Krankenhausbau deutete nichts hin.
Aber irgendwo brannte ein Feuer, denn aus einem Kamin stieg grauer Rauch in die jetzt sehr klare Luft und in einen blassblauen Himmel.
Wir waren eine Gruppe, die eigentlich bei ihrer Ankunft nicht übersehen werden konnte, und das traf auch zu, denn bevor wir die Tür erreichten, wurde sie geöffnet.
Auf der Schwelle stand eine resolut aussehende Frau mit grauen Haaren, die einen weißen Kittel trug. Sie hielt die Hände in die Hüften gestemmt und schaute uns nicht eben freundlich an, weil Suzie Carpenter sich bei uns befand.
»Was wollen Sie hier?«
Suko und ich gaben die Antwort, indem wir ihr unsere Ausweise zeigten. Sehr genau wurden die Dokumente angeschaut. Danach hob die Schwester den Blick und fragte:
»Scotland Yard?«
»So ist es.«
Sie schaute mich an und schüttelte den Kopf. »Was wollen Sie denn hier? Wenn Sie irgendwelche Verbrecher suchen, sind Sie am falschen Ort. Wir haben keine versteckt.«
»Darum geht es nicht…«
Die Frau unterbrach mich. Auf einem kleinen Schild über der rechten Brust stand ihr Name. Sie hieß Clara. »Und du bist auch dabei, Suzie? Hast du nicht frei?«
»Schon, Clara, aber wir müssen mit Ester Mahony sprechen.«
»Um was geht es denn?«
»Das erklären wir ihr selbst.« Ich ging einen Schritt vor, und Schwester Clara trat zurück.
Auf einem Gitterrost traten wir uns den meisten Schnee von den Füßen, dann betraten wir einen langen Flur.
Im unteren Teil befand sich ein Büro. Das war auf einem Schild deutlich zu lesen.
Auch der Name Dr. Ester Mahony war nicht zu übersehen. Wir mussten nur der Pfeilrichtung folgen, um das Büro zu erreichen.
Eine Treppe führte nach oben zu den Zimmern der Sterbenden. Es roch nicht nach Krankenhaus, der Geruch hier war neutral. Treppe und Geländer waren weiß gestrichen. Wir hörten aus der oberen Etage sogar Musik.
Suzie und Al standen dicht beisammen. Der Mann hatte einen Arm schützend um seine Frau gelegt, als wollte er sie nie wieder loslassen. Links von uns weitete sich der Flur zu einer kleinen Halle, in der es eine Sitzecke gab. Durch die großen Fenster fiel der Blick in den kleinen verschneiten Park.
»Finden wir die Chefin in ihrem Büro?«, erkundigte ich mich.
Schwester Clara nickte.
»Gut, dann werden wir…«
»Nein, das können Sie nicht.«
Ich blickte sie scharf an. »Sie glauben gar nicht, was wir alles können, meine Liebe.«
Das war eine Sprache, die sie verstand. Sie hob die Schultern. »Ja, gehen Sie. Das ist mir jetzt auch egal.«
»Danke.«
Sie winkte ab, drehte sich um und stiefelte die Treppe hoch.
»Ist die immer so?«, fragte Suko.
Suzie Carpenter hob die Schultern. »Ja und nein. Zu den Kranken kann sie oft nett und wunderbar sein. Das traut man ihr kaum zu.«
»Müssen wir denn mit?«, fragte Al Carpenter.
Suko schüttelte den Kopf. Ich stimmte ihm zu,
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