1654 - Komm in meine Totenwelt
alles so sehen, dann muss das Hospiz doch die Höhle des Löwen sein.«
»Das könnte zutreffen.«
»Und da wollen Sie mit ihr hin?«
»Ja. Aber wir bleiben an ihrer Seite. Das dürfen Sie nicht vergessen.«
Al war noch immer nicht überzeugt, das sah ich ihm an, und so fuhr ich ein härteres Geschütz auf. »Wir müssen davon ausgehen, dass diese Rebecca nicht aufgibt. Sie hat ihr Ziel nicht erreicht, aber ich gehe davon aus, dass sie es auch weiterhin versuchen wird. So muss man die Dinge sehen, auch wenn sie noch so schlimm erscheinen. Es ist besser, wenn Ihre Frau sich in unserer Nähe aufhält. Oder haben Sie für uns einen besseren Vorschlag?«
Den hatte Al Carpenter nicht. Zumindest nicht sofort. Wir sahen ihm an, dass er nachdachte. Er schluckte, sah seine Frau an, die keinen Kommentar abgab, und meinte schließlich: »Ich will ja, dass Suzie gerettet wird und nicht…«
»Dann sollten Sie uns keine Steine in den Weg legen«, sagte Suko.
»Aber unter einer Bedingung.«
»Und die wäre?«
»Dass ich mitkomme!«, sprudelte es aus ihm hervor.
Suko sah mich an, ich ihn. Was sollten wir dagegen sagen? Im Prinzip nichts.
Wir gaben nach und sahen, dass er aufatmete. »Es ist schließlich meine Frau, und mit der anderen Seite habe ich noch eine Rechnung offen.«
»Das Bezahlen überlassen Sie mal uns«, wehrte ich ab und kümmerte mich danach um Suzie Carpenter. »Sie haben zugehört, was hier alles besprochen wurde?«
»Das habe ich.«
»Gut. Sind Sie einverstanden?«
»Ja, ich will, dass die Person vernichtet wird. Auch ihr Helfer. Das Skelett soll keine Menschen mehr töten. Ich will das nicht. Wenn ich etwas dazu beitragen kann, dann…«
Ich unterbrach sie. »Das können Sie, Mrs. Carpenter. Zumindest durch Informationen.«
Meine Bitte hatte sie überrascht. »Aber wie kommen Sie darauf? Was könnte ich Ihnen sagen?«
»Mehr über das Hospiz. Es muss doch einen Chef geben oder eine Chefin.«
»Ja, eine Chefin. Sie heißt Ester Mahony. Sie ist Ärztin und Psychotherapeutin. Man hat ihr die Leitung der Klinik übertragen.«
Der Name sagte weder mir noch Suko etwas, aber ich hatte eine weitere Frage. »Wenn sie die Chefin ist, dann wird sie auch informiert sein, was in ihrer Klinik läuft. Deshalb meine Frage: Wie steht sie zu den Vorgängen? Was sagt sie über die Abholerin? Akzeptiert sie, dass sich jemand aus einer anderen Welt oder Dimension zeigt, der den Toten bereits einen Blick in das Jenseits werfen lässt?«
»Nein, Mr. Sinclair.«
»Wie meinen Sie das?«
Sie winkte ab.
»Glaubt sie es nicht?«
»Das schon. Aber sie hält es nicht für wichtig. Für sie sind das die Angstträume der Menschen kurz vor ihrem irdischen Ende. Es hat auch keinen Sinn, mit ihr darüber zu sprechen. Sie wiegelt stets ab, und das sogar sehr scharf. Wenn dieses Thema auf den Tisch kommt, gibt es Ärger. Mir hat sie einmal mit der Entlassung gedroht. Dabei kann sie froh sein, dass es Menschen wie Mara King und mich gibt.«
»Und wie viele sind es noch?«
»Keine, Mr. Sinclair. Wir waren die beiden einzigen Ehrenamtlichen.«
»Gut. Und wer finanziert die Klinik?«
»Das Geld stammt aus einer Stiftung. Ich weiß nicht, wie groß das Kapital ist, aber wenig scheint es nicht zu sein. Die Zinsen decken einen großen Teil der Kosten. Davon wird auch das offizielle Personal bezahlt. Ein Arzt und drei Krankenschwestern.«
Ich nickte und war zufrieden. »Jetzt müssen Sie uns nur noch sagen, wo wir die Klinik finden.«
»In Kensington. Unweit des Holland Parks.«
»Hm. Gute Gegend.«
»Haus und Grundstück gehören der Stiftung.«
Es war eigentlich alles gesagt. Ich warf einen Blick in die Runde und sah das Einverständnis auf den Gesichtern der anderen. An das Wetter draußen hatte ich nicht mehr gedacht, erst jetzt warf ich einen Blick durch das Fenster.
Es war kaum zu fassen, aber es hatte tatsächlich aufgehört zu schneien, und die Umgebung war zu einem weißen Wintermärchen geworden. So ganz passte es Suko und mir nicht, dass Al Carpenter uns begleiten wollte, aber wir konnten es ihm auch nicht verbieten.
»Okay!«, fasste ich zusammen. »Dann wollen wir fahren.«
Während ich das sagte, hatte ich das Gefühl, genau das Richtige zu tun…
***
Ein Wintermärchen kann sich manchmal auch als ein Albtraum entpuppen. Das mussten wir erleben, als wir das Haus verließen. Wer jetzt fahren musste, der konnte nur schleichen.
Wir befreiten den Wagen vom Schnee und ließen die Carpenters hinten
Weitere Kostenlose Bücher