1654 - Komm in meine Totenwelt
stimmt. Nur war es keine normale Krankheit.«
»Ach ja? Was ist es dann gewesen?«
»Etwas, das nicht leicht zu erklären ist«, gab ich zu. »Es ging um Albträume, in denen eine Frau mit einem Stundenglas in den Händen erschien und von einem mit einer Sense bewaffneten Skelett begleitet wurde. Das war ihr großes Problem.«
Die Mahony sagte nichts. Allerdings fiel uns auf, dass sie ihre Hände ineinander verkrampfte. So locker, wie sie sich zu Beginn gegeben hatte, war sie nicht mehr.
Auch ihre Augen wurden schmaler, und der Klang der Stimme hörte sich lauernd an.
»Das ist nicht schön für sie, das gebe ich schon zu. Aber was habe ich damit zu tun?«
Jetzt sprach Suko. »Die Träume stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem, was auch Patienten erlebt haben, die kurz davor standen, ihr Leben auszuhauchen.«
Die Lippen der Frau verzogen sich. »Wie soll ich das verstehen?«
»So, wie ich es Ihnen sagte. Suzie Carpenter erlebte das, was auch die Patienten als Letztes mitbekamen, bevor sie starben. Die Frau mit dem Stundenglas und ihren Begleiter, das Skelett mit der Sense. Das, so denken wir, kann kein Zufall sein. Dafür muss es einen Grund oder ein Motiv geben. Davon gehen wir aus.«
Jetzt lachte die Mahony. »Und den suchen Sie ausgerechnet bei mir in der Klinik?«
»Wo sonst?«
»Nein, tut mir leid. Da haben Sie sich verrannt. Das ist Unsinn.« Sie hob die Arme und ließ sie wieder fallen. »Traumgestalten, lächerlich und…«
»Nicht nur«, unterbrach ich sie.
»Wieso?«
»Weil dieser Albtraum leider zu einer tödlichen Wahrheit geworden ist. Es gab eine Leiche. Eine Frau namens Mara King, die Sie kennen, weil sie hier gearbeitet hat. Und getötet wurde Mara King durch einen Streich mit einer Sense. Das haben wir festgestellt. Und deshalb sind wir gekommen, um Licht in das Dunkel zu bringen. Wir haben Mrs. Carpenter mitgebracht, sie wartet im Besucherbereich.«
Ester Mahony nickte, bevor sie sagte: »Träume, nicht wahr?«
»Richtig. Sogar Albträume.«
»Und die sollen wahr geworden sein? Das heißt, die beiden Gestalten gab es wirklich?«
»Sie sagen es.«
Ester Mahony drückte ihren Oberkörper zurück und den Kopf ebenfalls. Dann fing sie an zu lachen, wobei es eine Lache war, die uns nicht eben erfreute. Sie klang hart, sie peitschte gegen die Decke des Büros, und als sie endete, schüttelte die Frau nur den Kopf.
»Das ist doch verrückt, was Sie mir hier gesagt haben. Himmel, Sie sind Polizisten und lassen sich auf ein so spinnertes Niveau herabsinken.«
»Es gab eine Tote. Das sollten Sie nicht vergessen«, erklärte Suko. »Und diese Frau hat zu Lebzeiten hier bei Ihnen gearbeitet. Das sollten Sie ebenfalls nicht vergessen. Wir sind praktisch gezwungen, hier nachzuforschen. Ob Ihnen das passt oder nicht.«
Die Frau beugte sich vor. Ihr Blick nahm einen lauernden Ausdruck an. »Darf ich fragen, wen oder was Sie hier suchen? Vielleicht diese Frau mit dem Stundenglas und dem Skelett? Ist es das?«
»Genau!«
Sie richtete sich wieder auf. »Tut mir leid, meine Herren, dann muss ich an Ihrem Verstand zweifeln. So etwas gibt es nicht. Und dass Mara King nicht mehr lebt, höre ich zum ersten Mal. Und zum letzten Mal sage ich Ihnen, dass ich Ihnen nicht helfen kann. Sie müssen sich schon allein auf die Suche machen.«
»Da sind wir nicht so sicher«, sagte ich.
»Und wie kommen Sie darauf?«
»Weil Sie bestimmt von diesen Bildern erfahren haben, die die Patienten kurz vor ihrem Ableben sahen. So etwas bleibt nicht geheim, und deshalb können wir Ihnen nicht glauben. Es ist ja verständlich, dass Sie Ihre Patienten oder die Klinik schützen wollen, aber bei Mord hört der Spaß auf. Da müssen wir jeder Spur nachgehen, und eine führt eben in Ihre Klinik.«
Nach dieser indirekten Anschuldigung erwiderte die Frau zunächst nichts. Sie legte ihre Hände flach auf den Schreibtisch und machte den Eindruck, als müsste sie über etwas nachdenken. Schließlich stand sie mit einem Ruck auf.
»War's das?«
»Bei Ihnen schon, Mrs. Mahony. Aber nicht…«
Sie schüttelte wild den Kopf. »Egal, was Sie vorhaben, es ist alles falsch. Sie befinden sich auf einem Irrweg. Suchen Sie den Mörder woanders und nicht hier. In diesem Bereich möchten die Menschen nur in Ruhe sterben.«
»Das glauben wir Ihnen«, sagte Suko. »Aber trotzdem schließt das eine das andere nicht aus.«
»Bitte, das ist Ihre Interpretation. Ich sehe das anders. Sie können keinen Durchsuchungsbeschluss
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